Mein Großvater kam rotnasig und grobporig wieder, wenn er sagte, er sei auf Kur gewesen. Seine Postkarten, die er uns von dort schrieb, waren wirr. Sätze brachen mittendrin ab. Wenn man überhaupt von Sätzen sprechen konnte. Oft waren die Karten einfach nur schraffiert oder mit langen Linien verziert. Unterschrieben waren sie mit Remmidemmi.

Fünf, sechs Wochen ging diese Kur immer, und kam Opa wieder, sah er nicht wirklich erholt aus. Oft schlief er anschließend mehrere Tage, und fragten wir ihn später, wie es gewesen sei, so öffnete er den Mund, überlegte und sagte dann, er wüsste nicht mehr so ganz. Ganz gut, glaube er.

Einmal war er mit freiem Oberkörper in die Küche gekommen und hat uns erstaunt das große tätowierte Segelschiff auf seiner Brust gezeigt, von dessen Deck uns großbusige Mädchen entgegenwinkten. Als er wieder nach oben ging, sahen wir, dass die Tätowierung auf seinem Rücken wesentlich erstaunlicher war. "Gude Laune garantiert", stand dort unleserlich, darunter eine Liste mit Namen wie Brutze, Bumme, Busi und auch der Name meines Opas.

War Opa zurück, fror er die ersten Tage und zitterte ständig. Trotzdem schwitzte er kalt, und das Haus roch nach Ausdünstung. In den Nächten war er viel wach, und wir konnten ihn mit sich selbst im Wohnzimmer tanzen hören. Das Quietschen seiner Gummischuhe war laut.

Nach dem letzten Mal traf ein Foto ein. Großvater nackt mit einem Matrosenhütchen auf. Um ihn Latinofrauen mit kinderarmgroßen Penissen, die meinen Großvater mit Mett bestreichen. Im Hintergrund Männer mit Schnauzbärten und Spiegelbrillen. "Hallo Remmidemmi", hieß es in dem Schreiben, "es war schön mit dir. Wir wollen nicht lange um den heißen Brei rumreden, Geld heißt das Zauberwort. Viel Geld."

Es war das letzte Mal, dass Opa zur Kur gefahren ist. Aber vielleicht haben Sie Interesse? Am 17.3. geht es wieder zur Kur auf den Kiez. U-Bahnhof St. Pauli. Um acht.