Jan Katzenberger spielt “Ein ganz gewöhnlicher Jude“ im Theater N.N.

Hamburg. Der Brief bringt Emanuel Goldfarb in Rage. Der Hamburger Journalist soll als "Jude zum Anfassen" vor einer Schulklasse auftreten. Ihn empört der Gedanke, als "Forschungsobjekt" für die Erziehung zur Toleranz zu dienen. Beim Grübeln über einer Antwort am Laptop überfallen ihn Erinnerungen an die Kindheit, die gescheiterte Ehe und seine "Flucht in die Orthodoxie".

Das Buch "Ein ganz gewöhnlicher Jude" des Schweizer Autors Charles Lewinsky sorgte auch durch Oliver Hirschbiegels Verfilmung mit Ben Becker für Debatten und ist nun in Dieter Seidels Fassung für das intime Theater N.N. als fesselnder Monolog zu sehen.

Allein die (zu) junge Besetzung mit Jan Katzenberger, einem bärtigen Schlaks um die 30, schafft Distanz zur Figur und vermeidet die Gefahr, ein "jüdisches Schicksal" pathetisch, politisch korrekt und allzu wohlmeinend aufzurollen. Katzenberger rückt Goldfarb in die Nähe eines jüdischen Jimmy Porter, der, mit seiner geschiedenen Frau Hanna und sich hadernd, zurückblickt im Zorn. Die alte Geschichte, wie Juden von deutschen Beamten ihre Namen erkauften, rappt er nur mehr höhnisch. Er spielt auch das Publikum direkt an, vermittelt jedoch ernsthaft Goldfarbs Zwiespalt durch den Glauben, der ihn zum Fremden in der Heimat macht.

Zeitgerecht bietet der in seiner Widersprüchlichkeit von Regisseur Seidel bewusst offen gehaltene Abend Zündstoff für die Debatte über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit und Problematik der Erinnerungskultur, die Henryk M. Broder gerade wieder mit umstrittenen Thesen in seinem Essay "Vergesst Auschwitz" anheizt.

"Ein ganz gewöhnlicher Jude" 15.-17.3., 5.-7. u. 26.-28.4., jeweils 20.00, Theater N.N., Hellkamp 68, Karten unter T. 38 61 66 88; www.theater-nn-hamburg.de