Im Literaturhaus wird das nach vierjähriger Pause wiederbelebte, traditionsreiche “Kursbuch“ vorgestellt. Es erscheint in Hamburg.

Literaturhaus. Das "Kursbuch" ist nicht totzukriegen. Die politisch und geisteswissenschaftlich gefärbte Kulturzeitschrift, 1965 von Hans Magnus Enzensberger und Karl Markus Michel gegründet, wurde vier Jahrzehnte lang in etlichen verschiedenen Verlagen herausgebracht. Die Ursprünge des Heftes, das eigentlich ein Buch ist, liegen in Frankfurt am Main beim Suhrkamp-Verlag. Ab 1970 erschien es beim Rotbuch-Verlag und später dann in Reinbek bei Rowohlt, ehe Michael Naumann und Tilman Spengler das Kursbuch im "Zeit"-Verlag machten.

Hamburger Verbindungen hat die hoch geistige Institution der alten Bundesrepublik, deren Auflage auch nach der Wende stetig sank, also schon länger. Und jetzt erscheint das neue "Kursbuch" direkt in Hamburg: beim Murmann-Verlag , der seine Räumlichkeiten in der City hat. Zuletzt mussten Deutschlands Denker vier Jahre ohne das "Kursbuch" auskommen. Es gab also durchaus eine Krise in der Geschichte der in intellektuellen und studentischen Kreisen angesehenen Schrift. Die ist nun, wenn man so will, überwunden. "Krisen lieben", so lautet der Titel des neuen "Kursbuchs", das sich vom alten unterscheiden will, aber an die Tradition anknüpft. Die frische Ausgabe trägt die fortlaufende Nummer 170.

Es ist die erste von dreien, die 2012 erscheinen soll. Als Chefredakteur fungiert der Journalist Peter Felixberger, Herausgeber ist der Soziologe Armin Nassehi. Sie operieren von Süddeutschland aus. Der Diskurs braucht zwar eine ortsgebundene Infrastruktur, findet aber auf der gesamten Landkarte statt.

In den Aufsätzen soll sich laut Verlagschef Sven Murmann, der selbst promovierter Philosoph ist, unsere "mentale Landkarte" abbilden. Deren Orte, so Murmann, seien die Universitäten, Redaktionen, Think Tanks, Stiftungen, Museen, Theater und Parlamente.

Die Ursprünge des "Kursbuchs" liegen in der Studentenbewegung der 60er-Jahre (dort war die intellektuelle Atmosphäre wie elektrisch aufgeladen), heute soll das "Kursbuch" ein "Ort kompetenter Gelassenheit" sein, wie Nassehi und Felixberger in ihrem sympathisch leidenschaftlichen Editorial schreiben.

In einer Welt, die die Ideologien weitgehend hinter sich gelassen hat, erinnern die neuen "Kursbuch"-Macher an die linksliberalen Antriebe von einst und würdigen die Modernisierung des Landes durch die Altvorderen, sagen aber auch: Debatten finden heute unter anderen Vorzeichen statt. Es gibt keine zentrale Perspektive mehr; und auch nicht eine Gegenperspektive.

+++ Zeit-Verlag stellt "Kursbuch" ein +++

Und so will das "Kursbuch" die Strecken vermessen, an denen entlang gedacht wird. Das Bekenntnis zur Vielstimmigkeit spiegelt sich in der Vielzahl der Meinungen. Wer intellektuell neugierig ist, der schaut gerne hinter die Dinge und Begriffe, der will "an der Kultur mitarbeiten", wie es Verleger Murmann ausdrückt. Welches Wort, welche weithin grassierende Erscheinung böte sich da besser an als die "Krise"? Im "Kursbuch" widmen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Denker dem Begriff von verschiedenen Seiten: Ein Wirtschaftshistoriker betrachtet die Wirtschaftskrise als harmonische Gleichgewichtsstörung. Der Kollege von der ökonomischen Philosophie dagegen schimpft auf die Krise, weil sie den Krisenmanagern in den Unternehmen Macht verleiht. Und die Literaturwissenschaftlerin Katja Mellmann sieht die Krisenerfahrung als wichtiges Motiv für literarische Texte.

Das "Kursbuch" leitet auch immer hinüber zur Kunst: In Nummer 170 sind Bilder des Künstlers Romuald Hazoumé zu sehen. Die Kunsthistorikerin Daniela Roth interpretiert die Fotostrecke als die Krisenauslegung eines Afrikaners beim Blick nach Europa.

Am Sonntag stellt Herausgeber Nassehi zusammen mit Schriftstellerin Kathrin Röggla und Harald Wieser, einem der früheren Herausgeber, das "Kursbuch" im Literaturhaus vor. Die Rückseite der neuen Ausgabe schmückt übrigens ein Faksimile des "Kursbuchs 1" - und ein immer noch gültiger Satz aus dem damaligen Editorial: "Kursbücher schreiben keine Richtungen vor. Sie geben Verbindungen an, und sie gelten so lange wie diese Verbindungen."

Das "Kursbuch" ist zurück Gespräch, 11.3., 17.30, Literaturhaus (U Mundsburg, Bus 6), Schwanenwik 38, Eintritt 7,-/erm.4,-.

Das "Kursbuch: Krisen lieben" (Nummer 170) hat 205 Seiten und kostet 19,-; www.kursbuch-online.de