... auf zu neuen Ufern. Schenkel hat mit ihrem neuen Roman den Verlag gewechselt - und blickt selbstkritisch auf frühere Erfolge.

Hamburg. Jetzt ist sie wieder dort angekommen, wo sie einst aufbrach, ganz tief im Dunkel der Provinz. "Finsterau" heißt der neue Kriminalroman von Andrea Maria Schenkel, und Finsterau ist auch der Name des Dorfes im Bayerischen Wald, in dem sich jenes Schreckliche zuträgt, von dem die Geschichte erzählt. Eine Handlungskonstellation durchaus ähnlich wie in ihrem Bestseller "Tannöd", und doch hat die Autorin diesmal einiges anders gemacht.

"Ich würde 'Tannöd' heute so nicht mehr schreiben", sagt sie. Zu wenig Raum habe sie den Figuren damals gegeben, zu wenig Zutrauen gehabt, auch zu sich selbst. Das sei in ihrem nunmehr vierten Roman anders gewesen.

+++ Manchmal gibt's Getöse um den Verlagswechsel +++

Nach "Tannöd" im Jahr 2006 waren "Kalteis" und "Bunker" erschienen, in chronologisch aufsteigender wie qualitativ absteigender Folge. Mit "Finsterau" nun hat Andrea Maria Schenkel erzählerisch wieder ein wesentlich höheres Niveau erklommen.

Es war ein langer, ein schwieriger Weg, bis die Autorin angekommen war in ihrer Geschichte, deren wesentliche Handlung sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zuträgt. Nach dem so gewaltigen wie unverhofften Erfolg von "Tannöd" mit mehr als einer Million verkaufter Bücher war, wie die in Regensburg lebende Autorin sagt, "nichts mehr wie zuvor. Es war ein Erdrutsch in meinem Leben."

Als der nachfolgende und bei Weitem nicht mehr so erfolgreiche Roman "Kalteis" erschienen war, begann Schenkel, 1962 geboren das "Image der Heimatschriftstellerin zu nerven" - ein Etikett, das ihr von Kritikern zugeschrieben wurde. In der Folge wollte sie eigentlich etwas anderes schreiben, einen ganz anderen Roman - doch es kam nicht so. Es kam der dritte Roman unter dem Titel "Bunker", inhaltlich zwar anders als seine Vorgänger, die beide historische Fälle aufgegriffen hatten, doch blass in Dramaturgie und Plot. "Bunker" erzählte die Geschichte einer Gefangenschaft, mit deutlichen Parallelen zum Gefühlsleben seiner Autorin.

"Nicht nur die Figur in dem Roman war eingesperrt, auch ich habe mich damals eingesperrt gefühlt", sagt Andrea Maria Schenkel rückblickend. Es gibt gewiss bessere Konstellationen für eine vertrauliche Zusammenarbeit zwischen Verlag und Autorin. "'Bunker' ist für mich ein Buch, das mir gezeigt hat, wo meine Stärken und Schwächen liegen, auch für mich als Privatperson."

In der Folge griffen dann die Gesetze der Branche. Andrea Maria Schenkel nahm sich einen Literaturagenten, um sich besser vermarkten zu können, was zuerst einmal hieß: ihrem Hamburger Verlag, der Edition Nautilus, den Rücken zu kehren und sich eine neue verlegerische Heimat zu suchen. Das beste Gebot, das der literarische Makler für seine Klientin auf der Branchenbörse aushandeln konnte, gab schließlich der ebenfalls in Hamburg beheimatete Verlag Hoffmann und Campe ab, man spricht von einer hohen sechsstelligen Summe. Letzte Details, so heißt es jedenfalls bei der Edition Nautilus, seien aber immer noch nicht endgültig geklärt. Fast ein Jahr lang sollen sich die Verhandlungen hingezogen haben. Verständlich zumindest, dass eine solche Trennung nicht ganz einfach verläuft, schließlich war für die Autorin der Verlag, bei dem sie 2005 ihr Manuskript unterbringen konnte, ein Glücksfall, wie auch umgekehrt die Autorin für den Verlag, denn einen Millionenseller hatte Nautilus zuvor selbstredend noch nicht im Portfolio gehabt. Der ambitionierte, politisch links zu verortende Verlag war früher in einem schlichten Bürogebäude in der Bergedorfer Fußgängerzone beheimatet und ist nach dem Schenkel-Erfolg vor einigen Jahren in eine Villa nach Bahrenfeld gezogen. Den Angestellten waren erstmals Boni ausgezahlt worden.

Profitieren werden auch von dem neuen Literaturdeal am Ende vermutlich alle: die Autorin, ihr alter Verlag und natürlich der Agent. Ob auch Hoffmann und Campe zu den Gewinnern zählen wird, bleibt abzuwarten. Das hängt vom Erfolg des neuen Romans ab.

Die Aussichten stehen nicht schlecht, ist doch "Finsterau" atmosphärisch dicht und bedrückend erzählt, in teils mundartlichem Idiom und aus wechselnden Perspektiven. Alle handelnden Personen lässt die Autorin sprechen und den Fall aus ihrer Sicht schildern, auch in scheindokumentarischen Einschüben, die die Tat retrospektiv 18 Jahre später beleuchten: den scheinbar völlig motivlosen Mord an der im Dorf sozial geächteten jungen Frau Afra und ihren Sohn Albert, der kaum dem Babyalter entwachsen ist.

Es ist ein Kriminalroman geworden, wie man ihn von Andrea Maria Schenkel erwarten darf.

Andrea Maria Schenkel: "Finsterau". Hoffmann und Campe, 125 Seiten, 16,99 Euro