Es braucht schon einen außergewöhnlichen, guten Schriftsteller, um einen Roman wirklich spannend sein zu lassen, der von nichts anderem als dem Alltag einer 80-jährigen Dame erzählt. Stewart O'Nan ist so ein Autor. Seine Heldin kommt tapfer allein zurecht, sie ist verwitwet, die Kinder leben in weit entfernten Landesteilen. Sie versucht, nicht traurig zu werden darüber, dass die Kinder nur zu den hohen Fest- und Feiertagen zu Besuch kommen und diese Zeit dann auch noch vermintes Gelände ist.

Sie kämpft sich durch ihr klassisches Radioprogramm, hütet die kranke Schwägerin, lernt wieder Auto fahren und ist tapfer. Auch wenn sie den üblichen Stapel Weihnachtspost zu erledigen hat. Im Axel-Springer-Abreißkalender (Kult!) stand einmal als Lebensregel: "Egal, wie viele Weihnachtskarten man selbst schreibt, die erste kommt immer von dem Menschen, den man vergessen hat."

Genau das passiert auch Emily: Die erste Karte mit guten Wünschen ist von einer Freundin, die sie ganz aus den Augen verloren hatte. Emily und Arlene treffen sich zu Restaurantbesuchen oder immer wieder Beerdigungen, wenn wieder mal alte Freunde gestorben sind. Es passiert nichts Aufregendes, aber die beiden Damen, die übrigens keinesfalls - als etwaiges Mittel gegen Einsamkeit - zusammenleben könnten, setzen Tag für Tag einen Schritt vor den anderen. Und nachdem der Verwandtschaftsbesuch wieder weg ist, entfernt Emily die Wasserringe vom Nachttisch und wirft den liegen gelassenen Müll der Enkel weg und ist froh, wieder allein zu sein.

Stewart O'Nan: "Emily, allein", übers. v. Thomas Gunkel, Rowohlt, 380S., 19,95Euro