Doris Dörries Drama “Glück“ walzt eine Erzählung von Ferdinand von Schirach aus. Belanglos, keine einzige Szene hätte notgetan.

Eines vorweg: Die zwölfseitige Erzählung "Glück" von Ferdinand von Schirach ist großartig - knapp, lakonisch, berührend, eine Liebesgeschichte um zwei Außenseiter, die für den jeweils anderen über sich hinauswachsen. Doris Dörrie hat daraus einen Film gemacht, er dauert 112 Minuten. Sie hatte beim Lesen das Gefühl, "da kann ich was dazugeben, da ist viel Luft für mich", so Dörrie in einem Interview. Sie hat so einiges dazugegeben in ihrem 30. Kinofilm "Glück" - und keine einzige Szene hätte notgetan.

Immer sieht man Dörries Filmen - von "Nackt" über "Hanami" bis zu "Die Friseuse" - diesen unbedingten Willen an, auch den schnarchenden Zuschauer in der vierten Reihe rechts außen zu überwältigen mit ihrer erdschweren Symbolik, die mal als blühender Kirschblütenbaum getarnt daherkommt, mal als Honigbrot auf dem Frühstückstisch.

Honig nämlich schmeckt für Irina (Alba Rohrwacher) nach Kindheit, nach der Zeit, bevor Soldaten in ihr sonnenbeschienenes Heimatdorf auf dem Balkan einmarschierten, die Eltern hinrichteten und Irina vergewaltigten. Mit diesen Bildern beginnt Dörrie ihren Film, und man ist froh, kurz darauf wieder auf den Straßen Berlins zu landen. Hier lebt Kalle (Vincent Kiefer), ein Punk in den Zwanzigern mit blond gefärbten Ponysträhnen und Hund.

Es ist keine Liebe auf den ersten Blick zwischen diesen beiden Verlorenen, vielmehr erzählt die Regisseurin von den Heilkräften der Liebe. Davon, dass es Momente des Glücks auch dann gibt, wenn man ganz unten ist und längst nicht mehr mit ihnen rechnet. Dank ihrer Hauptdarsteller gelingen ihr auch einige schöne Szenen, der Wuppdich-Moment auf dem Spielplatz etwa. Wuppdich, erklärt Kalle schaukelnd, das ist "der Moment, wo du ganz oben bist, alles stehen bleibt, und alles ist gut". Viel mehr Wuppdichs allerdings hat "Glück" nicht zu bieten.

Dafür hat er Alba Rohrwacher, die schon als Tilda Swintons lesbische Tochter in "I Am Love" eine Wucht war, genauso wie als Magersüchtige in "Die Einsamkeit der Primzahlen". Weil beide Filme eher unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den Kinos liefen, darf man sie in Dörries Werk durchaus als Entdeckung feiern. Nicht auszudenken, wie viel öfter "Glück" in den Kitsch abgedriftet wäre ohne Rohrwachers kraftvollen, stummen Blick, in den sie zugleich Hoffnung und Verzweiflung legen kann. Um die Geschichte von "Glück" zu erleben, muss man nicht ins Kino gehen; hier ist man mit Schirachs Erzählung besser beraten. Alba Rohrwacher aber bekommt man nur hier zu Gesicht.

Bewertung: belanglos

"Glück" D 2012, 112 Min., ab 16 J., R: Doris Dörrie, D: Vincent Kiefer, Alba Rohrwacher, täglich im Cinemaxx, Koralle, Passage; http://glueck-film.de