Hamburg. Wer durch die Borselstraße zum Thalia in der Gaußstraße läuft, passiert gleichzeitig bescheidene Backsteinbauten auf der einen Seite sowie das Schicki-Quartier "Westend" auf der anderen. Beste Gentrifizierungseinstimmung zur Premiere: "Hier in Altona sind Abenteuer und Romantik verloren", lernt auch der ortsunkundige Zuschauer in Schorsch Kameruns "Die Verschwundenen von Altona", einer Inszenierung, die der Regisseur "musiktheatralische Recherche" nennt.

Die Form ist das Ärgernis. Während Schorsch Kamerun am Bühnenrand seine gesellschaftskritischen Botschaften singt, bleibt er (nicht zu Unrecht) der Mittelpunkt der Inszenierung - die eigentlich keine ist, trotz des tollen Bühnenbildes von Constanze Kümmel (ein verglaster Bungalow mit Bootssteg), trotz toller Sätze und der tollen Musik, der in ihren besten Momenten etwas Brecht/Weillsches anhaftet: "Am Anfang waren die Ideen. Die Kreativen kamen erst später", heißt es da, vielleicht der beste Satz des Abends.

Das Problem ist das Währenddessen: Man schaut vier (eigentlich auch tollen) Schauspielern dabei zu, wie sie symbolisch entrümpeln, subversiv dänische Flaggen hissen, dekorieren, etwas Guerilla Gardening betreiben und schließlich mit dem Boot die Elbe hinabtuckern, einer unbestimmten Zukunft entgegen - oder einfach nur weiter nach Wilhelmsburg? Gut gemeint, das alles, bestimmt. Der Hauch der Anarchie hat seinen Reiz, der Rest ist rührend, manchmal (unfreiwillig) komisch. Was aber bleibt, ist der ärgerliche Eindruck, dass es dazu nun wirklich keine Schauspieler gebraucht hätte. Statisten hätten es auch getan. In den Worten der Zivilisationskritik: Das war Ressourcen-Verschwendung.