Die neue Talkshow auf ZDFkultur von Charlotte Roche und Jan Böhmermann möchte originell sein, ist aber eher angestrengt chaotisch.

Köln. Als Charlotte Roche vor zwei Jahren ihren Moderatoren-Job bei "3 nach 9" nach nur vier Monaten hinwarf, begründete sie ihren Ausstieg mehr oder minder nebulös damit, dass sie ihre Vorstellungen von einer Talkshow nicht mit denen der Redaktion habe in Einklang bringen können. Ab Sonntag steigt die 33-Jährige wieder in den Talk-Ring, ohne dass ihr eine Redaktion allzu viel reinquatscht. An der Seite von Jan Böhmermann, bekannt aus Harald Schmidts Late Night Show, moderiert sie nun jede Woche den einstündigen Talk "Roche & Böhmermann" für ZDFkultur. Den digitalen Spartenkanal hat das Zweite als experimentelle Spielwiese für ein jüngeres Publikum eingerichtet. Einschaltquoten spielen kaum eine Rolle.

Der Vorsatz, dass diese Talkshow vor allen Dingen anders sein will, ist von der ersten Sekunde an unübersehbar. In einer schmucklosen, ehemaligen Industriehalle im Kölner Süden, wo die Sendung aufgezeichnet wird, sitzen die Moderatoren mit ihren fünf Gästen um einen schwarzen, runden Tisch vor Mikrofonen, derweil das vornehmlich junge Publikum in Hintergrund auf Klappstühlen hockt. Das mutet spartanisch an und soll auch so aussehen. Nimmt man hinzu, dass die herumwuselnden Kameraleute sich ständig gegenseitig abschießen, erinnert die Versuchsanordnung in ihrem demonstrativen Verzicht auf alle Showelemente ein wenig an aufmüpfige Jugend-Talks aus den frühen 70er-Jahren. Zum anrührenden Retro-Charme der Sendung trägt auch die Aufforderung an die Gäste bei, doch bitte dem gereichten Whisky zuzusprechen und nach Herzenslust zu rauchen. Dumm nur, dass nicht ein Gast Lust auf eine Zigarette verspürt.

Aber in erster Linie soll in einer Talkshow ja geredet werden. Was auch passiert. Wenn auch nicht so, wie man sich das als Zuschauer von einer unkonventionellen Gesprächssendung vielleicht erhofft hätte. Denn kaum hat Rapper Sido begonnen, wenig begeistert auf rätselhafte Fragen nach Mario Barth, Poker, Kiffen, Öko-Strom und Heiratsplänen zu antworten, da fällt ihm die ebenfalls geladene Moderatorin Britt Hagedorn ins Wort. Sie sei ja gegen Drogen aller Art. Einmal auf Touren, will die Langzeit-Talkerin vom Fotografen und "Berghain"-Türsteher Sven Marquardt wissen, ob es in dem legendären Berliner Klub wirklich so dreckig sei, wie man immer lese. Nein, sei es nicht, lässt sie der Bärtige mit den markanten Gesichts-Tatoos knapp wissen.

So plätschert das Ganze, von den Moderatoren kaum gesteuert, eher angestrengt chaotisch denn originell dahin. Allenfalls Jan Böhmermann versucht zwischendurch, dem gar nicht munteren Treiben so etwas wie eine Struktur zu geben. So insistiert er bei der Befragung von Britt Hagedorn darauf, dass es doch zynisch sei, in ihrer Kuppel-Show "Schwer verliebt" übergewichtige Kandidaten vorzuführen. Wo denn da ihre Verantwortung als Moderatorin bleibe. Hagedorn blickt ob der unvermittelt ernsten Frage verwirrt und stammelt ein paar fadenscheinige Ausreden zusammen, die Böhmermann ihr aber nicht durchgehen lässt.

+++ Charlotte Roche startet mit "Schoßgebete" durch +++

Derweil sorgt Charlotte Roche mehr durch ihren Fummel im Leo-Look und rote High Heels als durch originelle Wortbeiträge für Aufsehen. Von dem Model-Coach Jorge Gonzales ("Germany's Next Top Model") will sie lediglich wissen, warum er als studierter Nuklear-Technologe noch immer keinen Öko-Strom bezieht. (Roche: "Musst du unbedingt machen! Das ist total wichtig.") Und auch mit Piraten-Politikerin Marina Weisband kommt nicht wirklich ein Gespräch in Gang. Die Vorzeigefrau der Partei wirkt ob der Rahmenbedingungen der Sendung merklich verunsichert, erklärt dann aber doch brav, dass sie sich auch wegen des großen medialen Interesses an ihrer Person inzwischen aus dem Parteivorstand zurückgezogen hat. Da hätte man sie ja durchaus mal fragen können, warum sie ausgerechnet immer wieder in Talkshows geht, um von diesem Leidensdruck zu erzählen.

Am Ende der Sendung konstatiert Böhmermann nüchtern: "Es kann nur besser werden." Wohl wahr. Denn sieht man von humorig-respektlosen Einspielern zur Vorstellung der Gäste einmal ab, machen die Gastgeber aus ihren Freiheiten in der Auftaktsendung entschieden zu wenig. Ein paar Späßchen, unbändig zur Schau getragene Lockerheit, fahriger Small Talk und Sauf- und Raucherlaubnis dürften kaum reichen, um eine Fangemeinde am späten Sonntagabend zu erobern. Günther Jauch muss sich vor "Roche & Böhmermann" in dieser Form nicht fürchten.

"Roche & Böhmermann" So 22.00 Uhr, ZDFkultur