Hamburg. Wenn der Komponist Anton Bruckner mittlerweile die Fußballstadien erobert hat, dann nicht deswegen, weil sein riesiger Orchesterapparat das Fassungsvermögen der Konzerthallen sprengte; nein, es sind Fußballfans aus aller Welt, die eine Paraphrase der Garage-Rock-Band The White Stripes aus der 5. Sinfonie in ihren Kanon aufgenommen haben.

Am Ende, nachdem sich das Motiv aus dem 1. Satz am Donnerstagabend über die Bühne gerollt hatte, beklatschten aber auch die Besucher der Laeiszhalle Herbert Blomstedt und das NDR Sinfonieorchester so euphorisch wie ein 4:0 gegen Spanien. Dabei ist diese Sinfonie ein Organisationsproblem der besonderen Art, ein Monster aus vielerlei miteinander und durcheinander laufenden Motiven, die geordnet werden wollen, dessen viele kleine und große Höhepunkte gestaltet werden wollen; ein zerklüfteter Koloss für Marathonmusiker. So manch Bläserlippe hat da nach einer Stunde schon böse gelitten, Dirigenten waren vor dem gewaltigen Schlusssatz vor Pomp schon ausgepumpt und vor den langen Pausen zwischen den Motivzellen in die Knie gegangen.

Der auswendig dirigierende Blomstedt nahm das Ganze eher straff; der bekennende Sieben-Tage-Adventist hätte des Katholiken Bruckner sinfonischen Teig allerdings stellenweise etwas mehr durchkneten können. Stattdessen schien er die NDR-Sinfoniker zuweilen einfach laufen zu lassen. Aber im Schlusssatz, wo das Holz bolzt und das Blech brettert und die Doppelfuge in langen Wellen durchs Orchester getrieben wird, da hatte der 84-Jährige noch Kraft. Da meißelte er die Motive mit Macht heraus, sparsam im Dirigat, aber exakt und dem Orchester großzügig voraus. Wie schon in der Großthematik des 1. Satzes war er hier auf Durchsichtigkeit und Logik aus. Und grinste bei aller Askesefreudigkeit immer wieder wie ein Lausbub, der sich an seinem Spielzeug erfreut. Mit Recht.