Bislang gibt es in Hamburg zwei Klassen von historischen Bauten. Mit einer Gesetzesregelung möchte Kultursenatorin Kisseler das ändern.

Hamburg. Die Zweiklassengesellschaft im Denkmalwesen steht vor dem Ende. Noch gibt es Denkmäler erster und Denkmäler zweiter Ordnung. Die der ersten Ordnung stehen auf der Denkmalliste und genießen Denkmalschutz, 3000 andere Denkmäler in Hamburg gelten als erkannt, stehen aber bislang nicht unter Denkmalschutz. Das soll sich dank einer neuen Gesetzesregelung ändern - auch die bislang nur erkannten sind dann vor Abriss geschützt. Außerdem kommen deren Eigentümer dann auch in den Genuss von Steuervorteilen und Zuschüssen von der Kulturbehörde. "Wir sind mit dem Gesetzesentwurf auf den letzten Metern und rechnen mit einer endgültigen Abstimmung noch vor der Sommerpause", erklärte Kultursenatorin Barbara Kisseler in einem Gespräch mit dem Abendblatt.

Ein vereinheitlichtes Schutzsystem denkmalwürdiger Bauten ist in den meisten Bundesländern schon Standard. Bisher gilt in Hamburg: Nur für die zurzeit in der Liste geführten 2000 Denkmäler gibt es eine Rechtsgrundlage im Umgang zwischen den Ämtern und Bauherrn oder Eigentümern. Die "erkannten" Denkmale haben das nicht.

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Weiterhin möchte Barbara Kisseler den Denkmalschutz in Hamburg besser verankern und auch das Zusammenwirken aller Beteiligten verbessern. "Wir müssen überlegen, wie wir bestimmte Abstimmungsprozesse - sei es mit dem Oberbaudirektor, mit der Stadtentwicklungsbehörde oder den Bezirken - in frühen Stadien institutionalisieren können, damit wir dann auch in der Öffentlichkeit das Bild einer Stadtentwicklungspolitik und Denkmalschutzpolitik aus einem Guss vermitteln."

Klingt erst mal nach Bürokratie. Doch die Kultursenatorin, die selber zehn Jahre lang ein denkmalgeschütztes Haus restaurierte, hat schnell ein Beispiel zur Hand. Im Bernhard-Nocht-Quartier konnten Denkmalschützer zwar nicht verhindern, dass ein altes Haus abgerissen wurde. Doch das Denkmalschutzamt stellte Strafanzeige mit ausdrücklicher Billigung der Senatorin, die ihrem Denkmalschutzamt den Satz ins Buch schreibt: "Rückgrat ist die entscheidende Größe im Denkmalschutz." Und noch deutlicher: "Ich gelte ja generell als streitbar: Mit mir wird es eine Verwässerung des Denkmalschutzes nicht geben."

Sollte das Denkmalschutzamt da nicht häufiger Zähne zeigen? "An Selbstbewusstsein fehlt es bei den Denkmalschützern und dem Amt nicht", sagte Kisseler. Die Kulturbehörde habe an vielen Stellen deutlich gemacht, dass sie sich auf Auseinandersetzungen einstellt. Aber sie sei keinesfalls so starrsinnig, wie gerne unterstellt werde. Kisseler: "Ich kenne keinen Fall, bei dem wir uns nicht geeinigt hätten. Wenn Denkmalschutz gesellschaftlich verankert werden soll, dann müssen Investoren und Denkmalschutzamt auch Kompromisse schließen. Aber als Erstes immer den Kompromiss anzusteuern ist nicht unsere Absicht." Dass Wirtschaftlichkeit und Denkmalschutz einander ausschließen, hält die Senatorin in den meisten Fällen für vorgeschoben. In der Regel gebe es Lösungen, wenn man auf beiden Seiten bereit sei, sich auf die Sichtweise des anderen einzulassen.

"Der Denkmalschutz spielt in Hamburg eine konstruktive Rolle, weil er dazu beiträgt, das Selbstbild der Stadt zu prägen", sagt sie. "Das halte ich für die zentrale Aufgabe." Wer die Diskussionen außerhalb Hamburgs verfolge, dem käme das Grausen. "Wir sind in Hamburg, trotz mancher Fälle, die wir nicht goutieren, auf einem guten Weg", sagte sie. Sollte Denkmalkultur dann nicht noch öffentlichkeitswirksamer vermittelt werden? "In Hamburg wird viel dafür getan, dass es hier ein Thema ist. Übrigens in vielen Fällen vergleichbar mehr als in Berlin", sagte die Senatorin. Das liege auch an Veranstaltungen wie dem Denkmalsalon oder dem Tag des offenen Denkmals sowie an den Preisen, die die Kulturbehörde vergebe, wie zuletzt den Fassadenpreis. Kisseler: "Wir brauchen aber noch mehr Unterstützung der Öffentlichkeit. Wir werden am 10. Juni die Tagung der Bundes-Denkmalpfleger in Hamburg haben. Das werden wir nutzen, um für Denkmalschutz in einer modernen und wachsenden Stadt zu werben."

Barbara Kisseler zeigt Leidenschaft für Hamburg. "Als ich hierherkam, hatte ich die Vorstellung im Kopf, dass Hamburg eine der schönsten Städte der Republik ist. Und in der Tat ist Hamburg an vielen Stellen sehr, sehr schön. Doch manchmal bin ich wirklich erstaunt über das Kurzzeitgedächtnis der Stadt." Es betrübt sie, dass man gerne vergisst, die über Jahrhunderte gewachsene Baukultur zu bewahren. "Deshalb kann man nicht genug darauf hinweisen, was wir retten konnten, sei es die Oberhafen-Kantine oder das Metropolis-Kino."

Ein Gespräch über Denkmalschutz mit der Kultursenatorin - es könnte Stunden dauern. So viele Themen, so viele Vorhaben. "Die Bemühungen, das Kontorhausviertel mit Chilehaus und der Speicherstadt als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen", sagt Barbara Kisseler, "ich will unbedingt, dass das klappt. Ich bin guten Mutes."