Alisa Weilerstein spielt Pendereckis Cellokonzert Nr. 2, einen grandios komponierten Tobsuchtsanfall

Laeiszhalle. Unter den Orchesterinstrumenten kommt das Cello vom Tonumfang und seinen Klangeigenschaften her der menschlichen Stimme am nächsten. Es ist der Haus- und Hoflieferant für ernsten, weit ausschwingenden Gesang, es besitzt Noblesse im Ton, aber auch die Lizenz zur hellen, gewitzten Erzählung.

Dass die menschliche Stimme auch zu anderen, weniger angenehm klingenden Ausdrucksformen imstande ist - wer wüsste es nicht; nur bleibt das in der Solo- und Konzertliteratur für Cello oft verborgen. Nicht so im Cellokonzert Nr. 2 von Krzysztof Penderecki (1982), das Alisa Weilerstein mit den Philharmonikern heute Abend in der Laeiszhalle gewiss ebenso spektakulär spielen wird wie in der gestrigen Matinee. Erregender, fantastischer als in diesem grandiosen Stück hat Wut, diese in der klassischen Musik ziemlich verpönte Emotion, wohl nie geklungen.

Der Diabolus in Musica, das aus drei Ganztönen bestehende Tritonus-Intervall, durchzieht das Werk wie eine Signatur beredten Ärgers. In unerschöpflich scheinenden Steigerungen und Neuanläufen verwandelte Frau Weilerstein ihr prachtvoll klingendes Instrument in einen Garst, der sich partout nicht beruhigen will.

Chromatische, rasante Doppelgriffe, Staccatotöne wie mit dem Hackebeil, melodische Veitstänze, Schläge mit dem Bogenholz auf die Saiten, kurz vor Schluss gar ein reiner Noise-Ausbruch auf dem Griffbrett - es war ganz herrlich. Dazu spielen die Philharmoniker unter ihrer Chefin Simone Young souverän den diffizilen, an Klangüberraschungen reichen Orchesterpart, dessen Güte und bezwingende innere Logik einen sofort gefangen nahmen.

Auf Wut folgt Weh, denn nach der Pause erwartet das Publikum die Sinfonie Nr. 6 von Tschaikowsky, die "Pathétique". Auch hier zeigten sich die Philharmoniker gestern in bestechender Form. Die Ecksätze durchzieht Wehmut, Trauer, Abschied - Stimmungen, die sie schön nüchtern und deshalb umso ergreifender spielten. In den Mittelsätzen fordert die Musik erst zum Walzer im Fünfvierteltakt, dann zu einer Art Marsch, den Frau Young so rittmeisterlich dirigierte, als verstünde sie ihr Amt der Generalmusikdirektorin auch militärisch. Weil dieser dritte Satz mit seinem Geschmetter am Ende so tut, als sei er schon das Finale, klatschen viele Leute oft schon. Nicht machen. Das Schönste kommt doch noch.

Philharmonisches Staatsorchester & Alisa Weilerstein , heute, 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten 9,- bis 44,- unter T. 35 68 68