Hamburg. Spricht Musik? Oder malt sie? Oft schlagen sich Interpreten auf eine Seite und betonen entweder die Struktur oder die Klanglichkeit eines Werks. Michael Gielen hat sich offenbar für das Rhetorische an Bruckners Sinfonie Nr. 8 entschieden. Der 84-Jährige, Doyen der Neuen Musik und hochgelobter Bruckner-Exeget, hat gerade in der Laeiszhalle den Bruckner-Zyklus des NDR Sinfonieorchesters mit der Urfassung des später vom Komponisten revidierten Werks gekrönt: 100 Minuten Trennkost, präzise und mit Überblick dirigiert und streng im Zeitmaß.

Dieser Ansatz ging freilich mitunter auf Kosten der Sinnlichkeit; auf Naturschilderungen wartete man genauso vergeblich wie auf die Verschmelzung der Klangfarben unterschiedlicher Instrumente. Abgesehen davon, dass gelegentlich die Einsätze klapperten oder das Zusammenspiel zwischen Streichern und Holzbläsern hakte, entfaltete der Abend nur selten den rechten Bruckner-Sog. Womöglich hat Gielen diese Erwartung absichtlich unterlaufen - ein kleines bisschen schade ist es dennoch.