Christian Naujoks präsentiert sein zweites Album “True Life/In Flames“ im Golem am Fischmarkt - Kompositionen für Klavier, Marimba und Stimme.

Golem. Hört man die Musik von Christian Naujoks, ist es, als träume man sich in die Zwischenräume der Klänge. Die Tastentöne des Klaviers fallen wie Tropfen nacheinander ab. Das Licht spiegelt sich kurz in ihnen - gleißendes Weiß, schwarze Schatten -, bevor die Tropfen ein Teil des Ganzen werden und zu einer Melodie verschwimmen.

"Es hat mich gereizt, eine in sich geschlossene ästhetische Struktur zu finden", sagt der Künstler Christian Naujoks über sein zweites Album "True Life/In Flames", das heute erscheint. "Es bedient sich eines reduzierten Vokabulars, Klangmaterial aus einem Guss." Zählt man Naujoks' Stimme zur Liste der Instrumente, sind es mit Klavier und der von Martin Krause gespielten Marimba drei Klangerzeuger. In den neun Stücken des neuen Albums fügen sie sich zu pointierter Harmonie zusammen. Die Platte wurde im kleinen Saal der Hamburger Laeiszhalle aufgenommen. "Die Laeiszhalle wurde ein Teil des Klangmaterials", beschreibt Naujoks den Aufnahmeprozess mit Produzent Tobias Levin, der schon mit Tocotronic, Kante, Gisbert zu Knyphausen gearbeitet hat. "Das Medium des Kammermusiksaals war entscheidend für die Formfindung, mitsamt dem besonderen Klang des zum Inventar gehörenden Steinway-Flügels."

In diesem Sinne sieht man auf dem Cover von "True Life/In Flames" ein musikalisches Mise en Scène der Instrumente in schlichtem Schwarz-Weiß. Diese besondere Stimmung soll es auch auf dem Release-Konzert im Golem geben, das Naujoks laut Website des Barklubs am Fischmarkt, in eine "Kammerkneipe" verwandelt. Im Anschluss legt unter anderem noch Lawrence von Naujoks Label Dial auf: Auf Klaviermusik folgt House und Techno.

Überhaupt Techno: "True Life/In Flames" erscheint auf dem Hamburger Label Dial Records, das vor allem dank seiner elektronischen Veröffentlichungen bekannt ist. "Rein musikalisch ist die Musik gar nicht so unterschiedlich, eben nur anders produziert", sagt Naujoks, "Rhythmus, Zeitempfinden und Emotionalität ähneln sich." Und so ist Labelgründer Peter Kersten, der unter dem Namen Lawrence als internationaler House-DJ bekannt ist, musikalischer Ansprechpartner für Naujoks, wenn es um klavierbasierte, sogenannte Neue Musik des 20. Jahrhunderts geht. Im Gespräch mit Naujoks, der Bildende Kunst in Weimar, Hamburg und Berlin studiert hat, fallen Namen wie Morton Feldman, vor allem aber John Cage, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre und untrennbar mit einer Musik verbunden ist, die immer neue Wege geht: von der Stille bis zur unendlichen Komposition.

In "Moments I" und "Moments II", die einzigen Stücke, in denen Naujoks singt, bezieht er sich direkt auf Cage: Er trägt ein Gedicht des amerikanischen Dichters E. E. Cummings vor, das auch Cage schon 1948 in seiner Vokalisten-Komposition "Experiences No. 2" verwendete. Darin geht es um die Momente direkt nachdem man aus seinen Träumen erwacht und sich in einer Zwischenwelt wiederfindet. Eine Graustufe des Lebens zwischen Schwarz und Weiß, Tag und Nacht.

Bezeichnenderweise hat Naujoks die Variationen "Moments I" und "Moments II" einmal auf den weißen, einmal auf den schwarzen Tasten des Steinway-Flügels gespielt. Es ist die einzige klare Referenz auf seinem Werk, das er als "Teil des Großen und Ganzen" verstanden wissen will. "Autorschaft ist ein dynamischer Prozess", sagt Naujoks, "es geht mir nicht um offene Referenzpunkte, die ein diskursives Feld abstecken, sondern eher um Referenz-Mechanismen." Jede Musik bezieht sich auf Musik, die es schon gibt, und greift Musik vor, die es noch geben wird. Alles fließt ineinander.

Christian Naujoks (live), Tobias Levin, Lawrence heute, 20.30 Golem (S Königstraße), Große Elbstraße 14, Eintritt gegen Spende; www.dial-rec.de , www.golem.kr

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