Nach den “Derricks“ und “Alten“ ermittelt eine Frau im ZDF-Freitagskrimi: Katharina Böhm ist Kommissarin Vera Lanz alias “Die Chefin“.

Nach 60 Minuten weiß der Zuschauer eine Menge über Vera Lanz, Hauptkommissarin bei der Münchner Mordkommission. Sie trägt tief ausgeschnittene Shirts, Metallschmuck und die für Fernsehpolizistinnen unvermeidliche enge schwarze Lederjacke. Lanz hat einen Erdnuss-Fimmel, vertilgt das Zeug in Familienpackungsgröße. Zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. Und zwischendurch. Die halbwüchsige Tochter kocht für sie, damit die Mutter gelegentlich etwas anderes als Fast Food in sich hineinstopft. Auch die Affäre mit dem Staatsanwalt tröstet sie nicht über den Tod ihres Mannes hinweg, der im Dienst erschossen wurde. Immerhin: Beim Bluse-Zuknöpfen leiert sie dem Staatsanwalt einen Durchsuchungsbefehl aus der Tasche.

"Die Chefin" heißt die neue Krimireihe, die das ZDF wie eine Ode an die Emanzipation verkauft: Nach den alten Herren, den Derricks und Alten und Kriminalisten, ermittelt, aufgepasst, nun erstmals eine Frau im ZDF-Freitagskrimi. Gespielt wird sie von Katharina Böhm, die ihre Karriere als Zwölfjährige bei "Heidi" begonnen hat, in den letzten Jahren etwa in Lars Beckers "Nachtschicht" zu sehen war.

Nun ist es ja im Grunde so: Wenn es etwas gibt, das die Welt noch weniger braucht als Quiz-Revivals oder eine Sendung mehr mit Markus Lanz, dann ist es eine weitere Krimiserie mit einer Kommissarin im Mittelpunkt. Es gibt Senta Berger und "Das Duo" Lisa Martinek und Charlotte Schwab am Sonnabend, etliche "Tatort"-Ermittlerinnen, von denen Furtwängler und Folkerts nur die bekanntesten sind, Sat.1 hat kürzlich "Hannah Mangold und Lucy Palm" in Serie geschickt. Andererseits ist dies das Jahr, in dem Mädchen zur Hauptsendezeit davon träumen, "Das perfekte Model" zu werden, junge Frauen alles tun, um einem "Bachelor" namens Paul zu gefallen. Dann doch lieber starke weibliche Figuren, Polizistinnen, Profilerinnen, Polizeipsychologinnen. Und warum nicht Vera Lanz?

Die Ähnlichkeiten mit der einst von Hannelore Elsner dargestellten "Kommissarin" sind nicht zu übersehen. Nicht ein einziger Fall der ersten weiblichen Fernsehfahnderin ist in Erinnerung geblieben, dafür das hier: Lea Sommer liegt nach Dienstschluss im Flanellschlafanzug auf dem Sofa. Lea Sommer nippt badeschaumverhüllt am halbvollen Rotweinglas. Lea Sommer stöckelt klackklackklack zum Tatort. Auch in Sachen Verhörtaktik sind Sommer und Lanz Schwestern im Geiste: Machen einen auf Kätzchen im Streichelzoo, bevor sie die Fangfragenfalle zuschnappen lassen.

Apropos Verhör: In den 60 Filmminuten entspinnt sich natürlich ein Fall, ein Mord mit seinen Folgen, sonst wär's ja kein Krimi. Eine Journalistenschülerin wird vom Balkon gestürzt, sie hatte Neider, Feinde, Liebhaber und hinterlässt einen trauernden Vater. Interessanter als der Fall ist Vera Lanz' Partner, gespielt von Stefan Rudolf. Kommissar Jan Trompeter (mit Betonung auf der ersten Silbe) sieht auf den ersten Blick aus wie einer, der die Zigarette in der Büropflanze ausdrückt, ist aber von der grundguten Sorte, ein so lässiger wie uneitler Kollege ohne Testosteron-Problem - so einen hat man gern im Team. Mehr über ihn erfährt man hoffentlich in den nächsten Folgen. Vera Lanz könnte derweil in Ruhe ermitteln.

"Die Chefin" heute, 20.15 Uhr ZDF