Lang Lang gab sich bei seinem Konzert in der Laeiszhalle seriös: Er spielte Bach, Schubert und begeisterte mit Chopin

Hamburg. Wenn Lang Lang kommt, ist die Laeiszhalle definitiv zu klein. So waren auch bei Langs Solo-Recital am Dienstag nicht nur Parkett und Ränge bis zum letzten Platz gefüllt, nein: Sogar auf dem Podium hatte der Veranstalter noch Extrasitzreihen aufstellen lassen. Manch treuer Abonnent der "Meisterpianisten"-Reihe mag an diesem Abend zwar zu Hause geblieben sein. Doch dafür gibt es auch in Hamburg mehr als genug Fans jenseits des Klassikkenner-Kerns, die ihren Pianisten der Herzen unbedingt hören wollen.

Ob Lang aber noch ganz der ist, als den seine Fans ihn lieben gelernt haben, ist spätestens seit Dienstagabend fraglich. Denn offenbar hat sein Management schon vor einiger Zeit beschlossen, dass es für den extrovertierten Tastentiger an der Zeit sei, seriös zu werden. Und so war Langs Programm an diesem Abend zweigeteilt in Pflicht und Kür: Zum Auftakt gab's austro-germanische Großmeister; Chopins Etüden op. 25 bildeten dann das Finale furioso nach der Pause.

Mit kerzengerader, vorbildlicher Haltung begann Lang Bachs PartitaNr. 1 B-Dur. Doch auch wenn er sich als Musterknabe tarnte, Langs Lesart war alles andere als schulmäßig. Der 29 Jahre alte Chinese romantisierte Bachs Musik hemmungslos. Unbelastet von historisch-informierter Gewissensnot arbeitete er mit sehr viel Dynamik, groß angelegten Crescendi und morendo verhauchenden Schlussnoten. Nachdem die letzte, mit dem Pedal gehaltene Note der Gigue verklungen war, schien Lang seiner Sache selber nicht so ganz sicher zu sein; und tatsächlich ließ der Applaus eine Schrecksekunde lang auf sich warten.

Einen Extra-Applaus gab es dafür nach dem ersten Satz von SchubertsB-Dur-Sonate D 960. Vermutlich dachten die meisten der Zuhörer, sie hätten es schon überstanden. Doch Schuberts "himmlische Längen" sind wirklich sehr lang. Damit diese endlose Strecken ausmessende und mit Wiederholungen gespickte Musik nicht in Langeweile zerfällt, bedarf es einer minutiösen Gestaltung im Detail. Hatte Lang bei Bach des Guten sicher zu viel getan, tat er bei Schubert eher zu wenig.

Das Andante sostenuto ließ ahnen, was für ein guter Schubert-Interpret ein so klangsinnlicher Musiker wie Lang sein könnte, wenn er die Zeit und die Gründlichkeit aufbrächte, in diese Musik ganz hineinzukriechen. So blieb der Eindruck, dass Lang auf dem Klavier alles kann - außer die feinen Zwischentöne des "Wiener Dialekts" wiederzugeben.

Chopin dagegen ist für den Virtuosen und Gefühlsmenschen Lang soetwas wie seine Muttersprache. Hier kann er sein, was er wirklich ist: ein Ausbund an ansteckender Spiel- und Bewegungsfreude; jemand, der Musik über die Rampe bringen kann, weil er sie am Klavier verkörpert. Snobs, diejede Gegenstimme und alle schwindelerregenden chromatischen Abgründe herausgearbeitet wissen wollen, werden eher eine CD von Adam Harasiewicz aus dem Regal ziehen. Wenn aber Lang zur sechsten Etüde ansetzt, hört man vor allem das Terzen-Gelichter in der Oberstimme und nicht dasirritierende Geschehen im Bass. Doch mit den letzten drei Etüden, die er vorsichtshalber ohne Pause zu einem Zusammenhang verschmolz, damit ihm seine Enthusiasten nicht wieder dazwischenklatschten, blies Lang Lang jedes kleinliche Bedenken einfach hinweg.