Dieser Roman ist etwas für Freunde verschlungener Erzählpfade. Unzählige Figuren, Schauplätze, Handlungsstränge gilt es da, mit wachem Verstand auseinanderzudividieren. Der rote Faden liegt gleichwohl offen zutage. Im Zentrum von Jaume Cabrés neuem Roman "Das Schweigen des Sammlers" steht der junge Adrià. Alleiniges Kind einer seltsam gefühlskalten Mutter und eines zwanghaft ehrgeizigen Antiquitätenhändlers in Barcelona. Der Antiquitätenladen ist ein Reservoir der dinglichen Schätze, so wie dieses Buch sich zu einem der überlappenden Wirklichkeiten entwickelt. Erst ganz am Schluss fügt sich das Mosaik zusammen.

Adriàs spaßbefreite Kindheit ist düster. Einzige Freunde sind die Spielfiguren Schwarzer Adler und Sheriff Carson. Der hochtalentierte Junge soll nach dem Willen seiner Mutter ein Profigeiger werden, doch peinigende Unterrichtsstunden vergällen ihm die Freude am Instrument. Vielmehr lockt ihn die Philosophie. Er wird Gelehrter. So weit ist "Das Schweigen des Sammlers" die Geschichte eines ziemlich rohen Familienzusammenhangs, wie das Leben viele schreibt. Bis sich in der Biografie Adriàs auf einmal persönliches Schicksal und Politik vermischen. Die Geschichte, in der sich große Fragen der Menschheit von Schuld, Verantwortung und Hass verflechten, ist typisch für den katalanischen Autor. Er verquickt sie hier mit den Wirren der Inquisition, mit den Umständen des Geigenbaus im 17. Jahrhundert, frühen Schulerlebnissen seines Helden in Rom und Geschehnissen im KZ Auschwitz-Birkenau im Jahre 1944. Cabré, 1947 in Barcelona geboren, zählt zusammen mit Carlos Ruiz Zafón und Albert Sánchez Pinol zu den weltweit hochgeschätzten Autoren Katalaniens.

Jaume Cabré: "Das Schweigen des Sammlers" Lesung, heute, 20.30, Buchhandlung Heymann, Eppendorfer Landstraße 77, Karten 12,-