Das Entführungsdrama “Michael“ von Schleinzer zeigt die Banalität des Bösen und den Täter eines grausamen Verbrechens im Mittelpunkt.

Michael ist ein 35 Jahre alter Versicherungsangestellter, der mit dem zehnjährigen Wolfgang zusammenlebt. Wobei Zusammenleben hier heißt, dass der Junge im Keller des Hauses gefangen gehalten wird, hinter einer verriegelten Tür und schallisolierten Wänden. Wie man bereits dem Titel entnehmen kann, steht in diesem Film der Täter im Mittelpunkt.

Das Regiedebüt des Österreichers Markus Schleinzer ist dabei ein genauso bemerkenswertes Debüt wie "Atmen" von Karl Markovics (beide Filme erlebten ihre Weltpremiere im vergangenen Jahr beim Festival von Cannes). Schleinzer, zuvor als Casting Director auch für Michael Haneke tätig, und seine Ko-Regisseurin Katrin Resetarits nehmen dem Film jede aufgesetzte Dramatik und erzählen vielmehr in ruhigen Bildern und nicht selten in langen Einstellungen von der Banalität des Alltags, vom gemeinsamen Abendessen und dem Singen vor dem Tannenbaum. Der Missbrauch des Jungen wird nicht gezeigt, aber wenn Michael nach erfolgter Tat einen Vermerk in seinem Kalender macht, dann ist das genauso erschreckend anzusehen.

Nach den Fällen Natascha Kampusch und Josef Fritzl ist dies eine bemerkenswerte filmische Umsetzung eines Verbrechens, das Österreich in den vergangenen Jahren wiederholt in die Schlagzeilen gebracht hat. Gerade weil der Film den Täter als Durchschnittsmenschen zeigt, ist er so verstörend. Für den lange angekündigten Film über Natascha Kampusch, ein Projekt des verstorbenen Produzenten Bernd Eichinger, hat "Michael" die Messlatte jedenfalls sehr hoch gelegt.

Bewertung: überragend

"Michael" Österreich 2011, 96 Min., ab 16 J., R: Markus Schleinzer, D: M. Fuith, D. Rauchenberger, täglich im 3001; www.michaelfilm.com