In der Hamburger Galerie Osterwalder's Art Office geht der Maler Martin Paulus bis zum 30. März mit seinen Motiven auf eine Zeitreise.

Hamburg. Sie strahlen eine ganz eigene Magie und Wirklichkeit aus: private Fotos aus fremder Hand, gefundene Lichtbilder aus ferner Vergangenheit. Fotos aus Familienalben, in denen man sich im Zerrbild großer Zeitdistanz wieder erkennt. Weniger im eigenen Gesicht, mehr aber in dem seiner Vorfahren und ihrem gelebten Alltag. Ehemalige Kleidermoden, alte Technik und Frisuren, vergessene Körpersprachen und eine der früheren Zeit eigene Perspektive lösen seltsame Erinnerungen aus. Erinnerungen an eine Gegenwart, die nur die Toten kennen, ohne dem heutigen Betrachter jedoch fremd vorzukommen.

Martin Paulus macht sie sich zu eigen, indem er das Fotomaterial von einst in Malerei verwandelt. In seinen Gemälden, zurzeit in Osterwalder's Art Office ausgestellt, fahren Zeppeline durch die Lüfte, kreuzen Dampfer auf ruhigen Gewässern und schwimmen stolze Schwäne auf alten Weltkarten.

Ein "fotografisches Opfer, das ein mechanischer Schnappschuss uns hinterlässt", ist für Paulus, den Künstler und Schriftsteller aus Süddeutschland, zu wenig, um Motive zum Sprechen zu bringen. So schenkt er seinen Foto-Findlingen auf weiteren Fundstücken eine neue Heimat - auf alten Buchdeckeln, Kisten, Hölzern und beschichteten Spanplatten. Oder er überträgt die Motive auf teils großformatige, zweigeteilte Leinwände, die auf den Bruch in seiner Malerei hinweisen. Darauf, dass hier zunächst ein oft anonymer Amateur-Fotograf und erst Jahrzehnte später ein Künstler zu Werke ging. Und darauf, dass zwischen beiden nur das Bild, nicht aber die Intention vermittelt. Ein Skispringer in kerzengerader Haltung steht förmlich in der Luft und beweist Standfestigkeit dort, wo sie am wenigsten möglich ist.

Dieses Ansinnen alter Schule, sich in aufrechter Haltung statt im aerodynamischen Vogelflug zu üben, überträgt Paulus im Stil einer Kinderzeichnung. Die Haltung seines Skispringers balanciert nun zwischen versuchter Stil-Eleganz und komischer Unbeholfenheit.

In Paulus' Malerei ist alles auf Reisen. Auf Reisen durch die Lüfte, Gewässer oder auf dem Boden, meistens aber auf Zeitreisen. Manchmal gibt es reale Bezüge zur Vergangenheit, die das Interesse an seinen Motiven und Geschichten erklären - eine Zeppelinfahrt seines Vaters als kleiner Junge, das Leben seiner Großeltern im Italien der 30er-Jahre. Doch treten sie in den Hintergrund, je mehr die realen, auf der Fotografie festgehaltenen Gefährten ihr Eigenleben in der Malerei gewinnen. Wer die junge Frau ist, von der wir nur den Rücken sehen und deren Blick wir auf eine Propellermaschine folgen, bleibt ungewiss. "Ist sie eine Wartende oder eine ins Ungewisse Aufbrechende? Mit Gewissheit ist sie eine Reisende zwischen ihrer Vergangenheit und unserem Hier und Jetzt", sagt Paulus.

Gleiches ließe sich vom Autoren selbst behaupten, der seine Fotografien behandelt, als wären sie Stills aus einem imaginären historischen Film. Einem Film, dessen Geschichte er ahnt, aber nicht kennt. So setzt er der fotografischen Realität von einst seine malerische Einbildung von heute entgegen, pastos aufgetragen oder mit schnellem Strich skizziert. Hin und wieder untermalt und kommentiert mit Poesie in schönen Worten, nachzulesen in "Silber am Himmel", dem Buch, das die Ausstellung begleitet.

Martin Paulus: "Die Züge des Kommenden" - Neue Bilder bis 30.3., Di-Fr 14.00-18.00, Sa 10.00-14.00, Osterwalder's Art Office (U Hoheluftbrücke), Isestraße 37, T. 48 61 09; www.osterwaldersartoffice.com