Die Musik der amerikanischen Songwriterin Bet Williams ist so erdig wie das Essen auf einem Bio-Bauernhof.

Fabrik. Irgendwann hatte Bet Williams genug von dem ganzen Trara im Musikgeschäft von Los Angeles. All die Pflichten, die Regeln, das ständige Sich-Vermarkten: Hey Bet, mach dir dein Haar soundso, triff dich mal mit dem und dem Manager der und der Plattenfirma, lass dir vielleicht die Brüste noch ein bisschen vergrößern. Geht's noch?! Schluss, aus. "Die wollten mich zum Produkt machen", sagt Bet Williams. Ihre Band löste sich auf, Williams ging zurück nach Pennsylvania, sie zog mit ein paar Freunden auf einen Bio-Bauernhof - und spielte nur noch die Musik, von der sie überzeugt war. Sie lebte so, wie sie es für richtig hielt, und nicht der PR-Berater. "Irgendwie war das damals auch so ein Hippie-Ding", sagt sie. Nicht Anfang der 1970er-, sondern Ende der 80er-Jahre. Egal, Hauptsache weg.

Heute Abend ist Bet Williams zu Gast bei der Blues Celebration in der Fabrik. Sie wird dort stehen, die blonden Locken fallen über ihre Schultern, mit ihrer Akustikgitarre und ihrer mächtigen Stimme, die über vier Oktaven wandert. Und sie wird singen vom Abschied auf ewig, der Angst zu scheitern, vom Glück eines verregneten Tages und vom Schlüssel am Bund, von dem man nicht mehr weiß, zu welcher Tür er passt. Liebe, Glück, Verzweiflung, die Irritationen des Alltags - davon handelt der Blues. Um durch das Leben zu kommen, musst du den Blues erleben, heißt ein Sprichwort. Wer ihre Geschichte kennt, der lässt sich von Bet Williams auf dieser Reise begleiten.

Es gibt eine Traurigkeit im Blues, mit der sich Williams verbunden fühlt. Eine Blues-Musikerin sei sie trotzdem nicht, sagt die 49 Jahre alte Williams. Aber was heißt das schon. Wer nach Kategorien für ihre Musik sucht, kann Williams eine Songwriterin nennen. Sie spielt Folk, Pop, Roots und Bluegrass. Vor allem aber spielt sie ehrlich, mit Emotionen, die mehr Druck haben als saftige Bässe in einer Großraumdisco. Williams Musik ist genauso erdig wie das Essen auf dem Bio-Bauernhof in Pennsylvania.

Als Bet Williams zurück zu ihrer Musik gefunden hatte, verließ sie die Bio-Farm in Richtung New York. Unzählige kleine Klubs, Bühnen ohne Regeln, viele Chancen, wenig Pflichten. Das war New York in den 90er-Jahren. Williams spielte mit Musikerinnen wie Joan Osboorne, traf die Blues-Legende Taj Mahal. Seit Kurzem lebt sie in Berlin. Sie ist zurück in Deutschland - hier ist Williams als Tochter eines amerikanischen Anwalts beim Militärgericht aufgewachsen. Die Avantgarde hat sie mitgebracht aus New York. Gemeinsam mit dem Pianisten John Hodian spielt sie im "Epiphany Project", ein musikalisches Experiment aus Folk, Jazz, Weltmusik. Das ist weit weg vom Blues, doch es trägt dieselbe Melancholie. "Traurige Menschen sind doch die glücklichsten", sagt Williams.

Von 1962 an bis in die 1980er-Jahre erlebte Europa das "American Folk Blues Festival". Die Tour löste auch in Deutschland eine erste große Begeisterung für den Blues aus. Die Veranstalter brachten Musiker wie John Lee Hooker auf die Bühne oder Otis Spann und Muddy Waters. Viele von ihnen waren in Europa kaum bekannt, selbst in den USA nur lokale Größen. Den Veranstaltern gelang es, dass sogar das Fernsehen die Shows live übertragen hat. Europa lernte den Blues, es lernte vom Leben der Menschen auf den US-amerikanischen Baumwollfeldern, der Arbeitslosigkeit, aber auch den Festen und Freuden im Delta vom Mississippi. Um das Leben dort zu verstehen, muss man den Blues hören. Das "American Folk Blues Festival" sendete zuletzt Mitte der 80er.

Heute Abend steht Bet Williams gemeinsam mit ihrem Bassisten Marc Gransten auf der Bühne. Und mit Steve Baker (Mundharmonika), Tom Shaka und Abi Walleinstein (Gitarre) und Martin Röttger (Percussion). Was Williams an Baumwoll-Blues in ihren Gitarren-Riffs vermisst, füllen die vier. Die Fabrik ist die Großraumdisco für ehrliche Musiker, sie dürfen dort lange und laut spielen, sie dürfen sich austoben. Wer den Blues verstehen will, muss zur Celebration in die Fabrik kommen.

19. Blues Celebration heute, 21.00, Fabrik (Metrobus 2), Barnerstraße 36, Eintritt 17,- Ak.