... aber seine Musik wird immer jünger, wie sein wirklich fabelhaftes Konzert im CCH bewies. Christie lieferte ein tolles zweistündiges Programm.

Hamburg. Kann man sich als langjähriger Mitarbeiter im internationalen Showgeschäft darüber freuen, wenn man vor allem wegen seiner Rechtschaffenheit in Erinnerung bleibt? Das Wort klingt so bieder, haben Sie's nicht eine Nummer glamouröser?, würde der Betreffende wahrscheinlich sagen. Nicht, wenn er Tony Christie heißt. Der britische Sänger, der von sich berichtet, dass er in Deutschland etwa alle zehn Jahre ein Comeback feiert, ist die Rechtschaffenheit in Person, und er wirkt damit vollkommen einverstanden. Je älter er wird, desto mehr liegt ihm daran, den Unterschied zwischen dem Bild, das er selbst von sich hat, und seinem Image zu verringern.

So beschloss Tony Christie vor drei Jahren, sein Haar, das er färbte, seit er die 30 überschritten hatte, endlich so silbergrau herauswachsen zu lassen, wie es ihm seither beinahe heiligenscheinhaft vom Schädel schimmert. Während er nun so alt aussieht, wie er ist, nämlich 68, wird seine Musik immer jünger, ohne dass Christie deswegen einem neuen falschen Image aufsäße. Das Vermögen, im Alter die Werte seiner Jugend wiederzuentdecken und diese mit einer den tatsächlichen Lebensjahren angemessenen Würde zu verkörpern, macht ihn zu einer der angenehmsten älteren Bühnenpersonen, die man sich vorstellen kann.

Tony Christie sang am vergangenen Mittwoch vor dem gut zur Hälfte gefüllten Auditorium des Saals 2 im CCH. Eine Band mit drei fabelhaften Bläsern, Gitarre, Keyboards, Bass und Schlagzeug begleitete ihn auf seiner Tour d'horizon durch 50 Jahre Sängerleben unter besonderer Berücksichtigung der Vorvergangenheit sowie der Gegenwart. Unter den Asbach-Songs war der Rock-'n'-Roll-Knaller "Jezebel" von Frankie Lane und "Mr Bojangles" als Verbeugung vor Sammy Davis jr, wobei Tony Christie tänzerische Eleganz bewies und sehr schön melodisch pfiff. Komplett ausgespart blieb jene peinlicherweise auf die deutschsprachigen Länder beschränkt gebliebene Karrierephase in den 90er-Jahren, die mit dem Namen des Produzenten Jack White verknüpft ist.

White verschaffte ihm sensationelle Plattenverkäufe und dadurch ein Leben mit allen Annehmlichkeiten unter der Sonne Spaniens, doch der gute Ruf des Popsängers mit der hellen, kraftvollen Stimme litt unter der beruflichen Liaison mit dem Schlagermogul beträchtlich. Eine Reihe glücklicher Umstände bescherte Tony Christie in den letzten gut zehn Jahren ein neues Repertoire, das er auf den Alben "Made in Sheffield" (vergriffen) und "Now Is The Time" veröffentlichte. Live sang er nun auch Lieder wie "Born To Cry" von Jarvis Cocker oder "Walk Like A Panther", das ihn 1999 in England in die Charts zurückkatapultierte. Sie gerieten so eindrucksvoll, dass man sich ans Spätwerk von Johnny Cash erinnert fühlte.

Tony Christie ist weder Tom Jones noch Rod Stewart, es ist nichts Schwerenötermäßiges an ihm. Die Wäscheschmeißerei aus den Reihen der reiferen Damenwelt wird dem Sänger für den Rest seines Lebens erspart bleiben. Zum Ende des zweistündigen Programms sang er brav seinen größten Hit "Is This The Way To Amarillo", und die Fans waren glücklich. Auch die Frau mit dem allerschwärzesten Haar im Saal: Tony Christies Gattin, mit der er seit bald 44 Jahren verheiratet ist.