So gut, so raffiniert, so subtil: die neue Serie “Gefährliche Seilschaften “ über die Macht der Frauen. Ein TV-Leckerbissen auf Arte.

Um zu erkennen, auf welchem intellektuellen Niveau sich diese Geschichte bewegt, genügt der Vorspann von „Borgen“. Melancholisch verdüsterte Musik, während schemenhafte Gestalten in Schwarzweiß durchs Bild gleiten, geschmeidige Scherenschnitte wie beim Auftakt von „Mad Men“. Insignien politischer Macht tauchen auf; Händedrücke von Männern, die garantiert nicht ohne Hintergedanken vollzogen werden. Und am Ende steht eine Frau allein in rigider Machthaber-Pose in ihrem Amtszimmer, das auch etwas von einer Einzelzelle hat. So gut, so raffiniert, so subtil ist und funktioniert „Borgen“, und das gleich von Anfang an.

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Willkommen im Staate Dänemark, der Heimat von Hamlet, der bekanntlich einen guten Riecher dafür hatte, wenn im Machtzentrum etwas mächtig faul war. Auslöser des Ganzen, als Drehbuch-Pointe in dieser Serie über eine First Lady, ist ausgerechnet eine sauteure Handtasche. Die nur noch von Psychosen und Pillen zusammengehaltene Gattin des amtierenden dänischen Ministerpräsidenten will sich während eines Staatsbesuchs in London mit einem Shopping-Anfall an ihrem Mann rächen. Der bezahlt zur diskreten Eklatvermeidung die fünfstellige Rechnung, weil gerade keine andere zur Hand ist, mit seiner Dienst-Kreditkarte, also mit Steuergeld. Schlau geht anders. Der Rest ist aber nicht wie bei Shakespeare betretenes Schweigen, sondern zwei Folgen lang Wahlkampf-Finale vom Feinsten, mit Hauen und Durchstechereien, mit Feilschen um Posten und Projekte. Bis am Ende der Koalitionsverhandlungen klar ist, wer zukünftig das Sagen hat im Kopenhagener Parlamentssitz Christiansborg, nach dem „Borgen“ benannt ist.

Das Timing für diesen zehnteiligen TV-Leckerbissen könnte besser kaum sein. Angela Merkel treibt etliche ihrer Kollegen in der Euro-Krise wie ein Rudel Dorfdeppen vor sich her, seit September 2011 gibt es mit der 44 Jahre alten Sozialdemokratin Helle Thorming-Schmidt auch im realen Dänemark eine Regierungschefin, die zudem auch noch die EU-Ratspräsidentschaft als Bonus zum Amtsantritt übernommen hat. Frauen an der Macht, das ist hier und da wirklich so. Doch eine aalglatte Karrieristin, die mit harmlosem Augenaufschlag genau kalkuliert, was sie für wen tut oder lässt, ist die Birgitte Nyborg deswegen nicht. Im Gegenteil. Vor laufenden Kameras gesteht die von Sidse Babett Knudsen herzerwärmend aufrichtig gespielte Politikerin im Kandidaten-Duell ein, dass ihr Kleid so spannt, weil sie im Wahlkampf-Stress immer zunimmt. Zu Hause wartet und schmollt mitunter der ansonsten sehr zuvorkommende, clevere Gatte. Die beiden Kinder finden es überhaupt nicht toll, wenn Mama beim Einkauf der Weihnachtsgeschenke nach wenigen Minuten schwänzt, weil ein Provinzpolitiker es sich in den Kopf gesetzt hat, ihr für einen Abstimmungsgefallen etwas Autobahn für seinen Wahlkreis aus den Rippen zu leiern.

Aus der Kombination der Worte Dänemark, Frau und TV-Serie ergibt sich fast automatisch ein Verweis auf die verzwicktesten TV-Krimis der letzten Jahre, die beiden „Kommissarin Lund“-Staffeln, in denen eine einsilbige Polizistin, durch ein eiskaltes Kopenhagen getrieben, brillierte. Doch „Borgen“ ist nicht „Kommissarin Lund“, die Leichen im Keller sind hier vor allem realpolitische und eher sprichwörtlich. Aber während alle deutschen Sender seit dem „Kanzleramt“-Debakel des ZDF alle Finger von diesem Thema lassen, haben die Dänen ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben sich ein Beispiel am unerreichten Klassenbesten „West Wing“ genommen, worin schon vor etlichen Jahren einen populären Demokraten – allerdings einen Weißen – im Oval Office hinreißend inszenierte.

Die Dialoge in Kopenhagen sind nicht so rasant und scharfkantig wie jene aus dem Weißen Haus, es steht auch nicht in jeder vierten Folge das Schicksal der westlichen Welt, wie wir sie kennen, auf dem Spiel. Dänemark bleibt schon noch Dänemark. Aber die Zutaten sind gut erkannt und geschickt kombiniert. Man bekommt Hofschranzen, den finsteren Macho-Rivalen aus der Opposition, hartnäckige Journalisten (in diesem Fall eine überehrgeizige Bilderbuch-Blondine statt lässiger Newsroom-Zausel mit Dackelblick) und einen skrupelarmen, zynischen Spin Doctor, immer gut zu erkennen am festgewachsenes Regierungssprecher-Handy in der einen und Kaffeebecher in der anderen Hand. In Dänemark war die 2010 ausgestrahlte Premiere von „Borgen“, wie schon die „Forbrydelsen“-Fälle von Kommissarin Lund, mit 1,5 Millionen Zuschauern bei 5,5 Millionen Einwohnern ein Straßenfeger. In England hat die Serie (obwohl weniger hässliche Strickpullover mitspielen als bei Lund, die in der Heimat des runderneuerten Sherlock Holmes hysterisch verehrt wurde) ähnlichen Kultstatus entwickelt. Da Deutschland gerade kein sonderlich beliebtes Staatsoberhaupt vorzuweisen hat, wäre Birgitte Nyborg für die nächsten Wochen eine sehr ansehnliche Alternative im Programm.

"Gefährliche Seilschaften" donnerstags ab 9.2., 20.15 Uhr, jeweils zwei Folgen, Arte