Der Soundtrack zu “Fluch der Karibik“ zeigt, wie Hans Zimmer mit seinem Studiosystem den Klang von Hollywoodfilmen beherrscht.

Hamburg. Am Anfang stand ein Rauswurf. Der allmächtige Produzent Jerry Bruckheimer lehnte 2003 die orchestrale Vertonung seines Piraten-Klamauks "Fluch der Karibik" harsch ab. Komponist Alan Silvestri, ein Altmeister der Zunft ("Zurück in die Zukunft", "Forrest Gump"), wurde durch den jungen Klaus Badelt ersetzt. Dem Frankfurter Musiker blieben nur 16 Tage, um dem überkandidelten Captain Jack Sparrow alias Johnny Depp ein neues Klanggewand zu stricken.

Heraus kam ein Soundtrack, den damals nicht nur Alan-Silvestri-Fans, sondern viele Freunde klassischer Kino-Sinfonik ob seiner grobschlächtigen Synthesizer-Rhythmik verschmähten. In einer Umfrage des englischen Radiosenders Classic FM hingegen wählten die teilnehmenden Zuhörer das Album jüngst auf Platz 18 der besten Filmmusiken aller Zeiten.

Ob Top oder Flop, darüber kann das Hamburger Publikum am Wochenende im CCH selbst entscheiden. Das Deutsche Filmorchester Babelsberg unter der Leitung des amerikanischen Dirigenten Scott Lawton spielt den kompletten Soundtrack live, während das Piratenabenteuer über eine Großbildleinwand flimmert.

"Fast der ganze Film ist Musik", schwärmte Lawton im Gespräch mit dem Abendblatt. "Handwerklich ist diese Partitur auf höchstem Niveau und in keinem Moment peinlich", nimmt der Dirigent Kritikern den Wind aus den Segeln. Dass Klaus Badelt so schnell einen solchen Soundtrack komponieren konnte, hat System. Und das System heißt Hans Zimmer.

Der Sound des 1957 in Frankfurt geborenen Komponisten beherrscht Hollywood. Zimmer stand 1981 im allerersten MTV-Video, "Video Killed The Radio Star" von den Buggles, am Synthesizer. Inzwischen ist er der Hauskomponist für Regisseure wie Ridley Scott, Gore Verbinski, Ron Howard, John Woo, Christopher Nolan und für den Produzenten Jerry Bruckheimer. Nolan, Macher von "Inception", sagt über Zimmer: "Für mich gibt es aktuell keinen Komponisten, der mehr dafür getan hat, das Klangbild zeitgenössischer Filme zu definieren." Auch die meisten Zeichentrickfilme von Disney und DreamWorks werden vertont von Hans Zimmer - oder einem seiner Schüler.

Im Booklet der CD "Fluch der Karibik" heißt es zwar, "Music composed by Klaus Badelt", darunter aber lapidar "Score overproduced by Hans Zimmer". Außerdem werden sieben weitere Komponisten genannt, die Musik beigesteuert haben. Sie alle sind oder waren Mitarbeiter von Zimmers Studio im kalifornischen Santa Monica. Zimmer gründete das Unternehmen Mitte der 1980er-Jahre als Media Ventures. Nach einem Rechtsstreit mit seinem Partner Jay Rifkin übernahm Zimmer das Geschäft 2003 mit seiner Firma Remote Control Productions. Dieses Studio ist eine Talentschmiede für Filmmusikkomponisten. Ein Blick in die Booklets von Zimmer-Soundtracks oder auf seine Internetseite offenbart Namen, die immer wieder als Co-Komponisten oder Orchestratoren auftauchen und inzwischen bereits zahlreiche eigene Partituren geschrieben haben.

42 Komponisten waren und sind für Remote Control tätig, darunter Marc Mancina, John Powell, Nick Glennie-Smith, Heitor Pereira, Geoff Zanelli, Marc Streitenfeld und Klaus Badelt. Derzeit stammen rund zehn Prozent aller Hollywood-Filmmusiken aus dem System Zimmer. Und das funktioniert so: Zimmer komponiert schon vor dem Beginn der Dreharbeiten Suiten, die alle wesentlichen Bestandteile der späteren Filmmusik enthalten und oft auch im Film verwendet werden.

Mit dieser Arbeitsweise werden Sound und Stimmung eines Films schon während der Dreharbeiten geprägt, Regisseure und Schnittmeister können direkt mit der Musik arbeiten. Diese Technik hat Sergio Leone bereits in den 1960er-Jahren benutzt, als er etwa "Spiel mir das Lied vom Tod"-Sequenzen nach der Musik von Ennio Morricone schneiden ließ.

In der Schlussphase der Produktion greift dann das System von Remote Control: Andere Komponisten helfen Zimmer, indem sie Teile für ihn auf Basis seiner Suiten orchestrieren, arrangieren und komponieren. Auch andersherum funktioniert es, wenn der Mentor seinem Team hilft. Einer für alle, alle für einen. Im Ergebnis bekommen fast alle seiner Zöglinge schnell eigene Filmprojekte.

"Fluch der Karibik" ist ein Musterbeispiel für Zimmers Handschrift: ein mächtiges, ohrwurmfähiges Hauptthema kombiniert mit pulsierenden Action-Motiven: "Er ist ein Großmeister rhythmischer Motorik. Dieser Klang mit seinen vielschichtigen Grooves verführt die Zuhörer", lobt Scott Lawton den Komponisten. Der hat inzwischen einen Oscar ("Der König der Löwen", 1995) und acht weitere Nominierungen eingeheimst. Der Erfolg hat System.

"Fluch der Karibik - Live In Concert" , CCH (Dammtor), Sa 11.2. 19.30, So 12.2., 15.00, Karten unter Tel. 01805/57 00 70 (14 Cent/Min. Festnetz)