Die 3. Ham.Lit, die Lange Nacht junger Literatur und Musik, im Uebel & Gefährlich

Die Literatur steht nicht unbedingt im Verdacht, unsere Nächte zu befeuern - im Hinblick auf ihre Qualitäten, ein gemeinsamkeitsstiftendes und kurzweiliges Freitagabenderlebnis zu sein. Diese Eigenschaften hat sie einfach nicht. Literatur gilt, in einem Wort, als unsexy. Wer liest, der tut dies, gerade in Zeiten sibirischer Kälte, auf dem Kanapee. Ganz allein. Warm wird's, weil die Heizung läuft. Oder weil das intime Erlebnis Buchlektüre für seelenvolle Unterhaltung und Erbauung sorgt.

Aber wer, bitte schön, vergeudet, gerade wenn er jung ist, einen Ausgehabend mit dem Besuch einer Literaturveranstaltung? Es soll ja Menschen geben, die mit der gerade in Deutschland sehr populären Veranstaltungsform der Lesung nichts anfangen können. Mal davon abgesehen, dass diese Menschen auch älter werden und irgendwann die gediegene Buchvorstellung mit angeschlossener Fragerunde zu schätzen wissen: In Hamburg wird jetzt zum dritten Mal der Beweis angetreten, dass Klubkultur und Literatur gut zusammenpassen. "Lange Nacht junger deutschsprachiger Literatur und Musik" nennt sich das Literaturfest im Uebel & Gefährlich, kurz: Ham.Lit.

Die Ham.Lit findet also wie die Veranstaltungen des etablierten MACHT-Clubs in einem Bunker statt. Was aber keineswegs heißt, dass sie sich hermetisch gegen die Außenwelt abschließt.

Gleich auf drei Bühnen (Ballsaal, Turmzimmer, Terrace Hill) wird auf der Ham.Lit gelesen. Man darf das literarische Polyphonie nennen. Vielleicht sogar einen Wettbewerb - wer vermag das Publikum am ehesten zu fesseln? 2012 ist der Literaturabend übrigens so gut besetzt wie nie: Es lesen die Autoren Nora Bossong, Jan Böttcher, Jan Brandt, Nina Bußmann, Franziska Gerstenberg, Jakob Hein, Oliver Kluck, Benjamin Maack, Steffen Popp, Leif Randt. Außerdem Monique Schwitter, Daniela Seel, Andreas Stichmann, Michael Weins und Felicia Zeller.

Geboren sind sie fast alle in den 1970er-Jahren, deshalb darf man sie durchaus Jungautoren nennen. Weil zu einem Klubabend zwingend Musik gehört, bringt Jan Böttcher (aktuelles Buch: "Das Lied vom Tun und Lassen") seine Gitarre mit - der Mann ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Singer-Songwriter. Überdies treten Niels Frevert und Die Sterne auf. Deren Sänger Frank Spilker schreibt derzeit, so ist zu hören, an seinem ersten Roman. Er soll bei Hoffmann und Campe erscheinen.

Damit wäre der Musiker, der seit zwei Jahrzehnten als wortgewaltiger Liedtexter in Erscheinung tritt, ein Roman-Debütant. So wie Jan Brandt, der mit seinem 2011 veröffentlichten Provinz-Epos "Gegen die Welt" einen kleinen Hit landete. Mit der anspielungsreichen Außenseitergeschichte des ostfriesischen Jugendlichen Daniel Cuper, dessen Schicksal Züge von Jesus Christus trägt, erschrieb sich Brandt, 1974 in Leer geboren, Buchpreis-Ehren. "Gegen die Welt" stand auf der Shortlist.

Wie Brandt lebt auch Leif Randt in Berlin. Sein viel gelobter Zweitling "Schimmernder Dunst über Coby County" spielt allerdings nicht in der Hauptstadt. An einem weiteren Berlin-Roman wollte sich der 1983 in Frankfurt geborene Erzähler nicht versuchen: Seine Helden leben in Utopia, so einen Ort wie Coby County gibt es nicht.

Dort ist immer alles schön und glatt, alle sind wunschlos glücklich. Das Leben ist eine Wellnessoase mit Strandbar. Zu Recht fühlten sich viele Leser an Christian Krachts "Faserland" erinnert. Das erschien 1995 und ist ein Generationenbuch. Krachts vierter Roman "Imperium" steht in zwei Wochen in den Läden und spielt in der Südsee, in den dortigen deutschen Kolonien. Wie Siedler kommen einem auch die träumerisch durch den Alltag wandelnden Kreativmenschen in "Schimmernder Dunst über Coby County" vor: Man muss gar nicht so genau hinsehen, um sie in Berlin-Mitte oder Hamburg-Eimsbüttel zu entdecken. Dort hat dieses Milieu ganze Viertel kolonisiert.

Franziska Gerstenberg, 1979 in Dresden geboren, veröffentlichte unter anderem zwei Erzählungsbände und lebt ebenfalls in Berlin. Ihr erster Roman "Spiel mit ihr" spielt zu guten Teilen an einem Ort, der viel wirklicher ist als die körperliche Realität: dem Internet. Dort lernt ihr 50-jähriger Protagonist eine Gespielin kennen, mit der er seine sexuellen Fantasien auslebt. Alle Wünsche können jedoch nicht in Erfüllung gehen: wie in der Welt jenseits des Internets.

Ham.Lit. Lange Nacht junger Literatur und Musik Do 2.2., 19.30, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Eintritt 16,-/12,-; www.hamlit.de .