Das elfköpfige britische Ensemble Bellowhead verleiht altehrwürdiger Folklore und Traditionals neuen Pop-Appeal.

Uebel & Gefährlich. Bei den alljährlichen Verleihungen von Musikpreisen scheint es Kategorien zu geben, die extra für gewisse Künstler geschaffen werden. Der Echo in der Kategorie Volksmusik zum Beispiel ging zwischen 1993 und 2010 bescheidene 13-mal an die Kastelruther Spatzen. Herbert Grönemeyer und Rammstein haben auch schon acht von den Dingern in der Vitrine stehen. Das ist natürlich noch gar nichts gegen Dirigent Sir Georg Solti, der einst auf 31 Grammys hockte, weit vor Alison Krauss mit 26 und U2 mit 22 Auszeichnungen.

Nicht ganz so bedeutend wie die Grammys oder der Echo ist der seit 2000 vergebene Folk Award von BBC Radio 2. Aber wenn dort eine Band letztes Jahr zum fünften Mal in Folge den Preis für die beste Live-Band einsammelt, dann ist das schon aller Ehren wert für das elfköpfige britische Folk-Pop-Ensemble Bellowhead.

Dabei lief die Gründung der Band im Jahr 2004 alles andere als flüssig. Der 1975 in Birmingham geborene Akkordeon- und Straßenmusikspieler John Spiers und der zwei Jahre jüngere aus Chicago stammende Multiinstrumentalist Jon Boden steckten auf dem Weg zu einem Konzert in Cambridge im Stau. Um sich die Zeit zu vertreiben, diskutierte das Folk-Duo Namen möglicher Mitspieler in einer Band. Neun waren es, als sich der Stau auflöste, und schon vor der ersten Probe hatten die elf einen Platz beim Oxford Festival.

Dabei verfolgt Bellowhead einen ungewöhnlichen, aber faszinierenden Ansatz bei der Songauswahl. Ein Großteil des Repertoires basiert auf historischen anonymen Texten wie "Widow's Curse", ein Flugblatt des 17. Jahrhunderts aus der Bodleian Library in Oxford. Ein altes literarisches Erbe, das Bellowhead zusammen mit Shantys und Traditionals in einen hornpipetanzenden Bastard aus Folklore, Rock und Pop überträgt. Backpfeifen aus Sackpfeifen.

Geigen, Kazoos, Glockenspiele, Trompeten, Mandolinen, Gitarren und ein ganzer Lkw-Auflieger voller weiterer Blas-, Schlag- und Streichinstrumente werden von Bellowhead ins Studio und mit auf Tournee geschleppt. Dann treffen alte frivole bis düstere Texte auf gewitzt arrangierte, fröhliche Kompositionen mit dem typisch britischen Rhythmus, zu dem Pints auf feuchte Tische gehämmert werden. Die Band braut übrigens ihr eigenes Ale.

Mittlerweile gehört Bellowhead nach drei Studio- und zwei Live-Alben zum Inventar von Festivals wie "Proms in the Park", die Fangemeinde vereint Prominente von Jools Holland bis Red Hot Chili Peppers, das aktuelle Album "Hedonism" (2010) produzierte der renommierte John Leckie (Radiohead, Muse) in den Abbey-Road-Studios. "Folk hat einen neuen Sex-Appeal", sagt Bellowhead-Mitglied Paul Sartin. Und man kann ihm schwer widersprechen.

Bellowhead heute 21.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten zu 25,- an der Abendkasse; www.bellowhead.co.uk