Zwischen Jugenstil und Moderne: Werke der Schweizer Maler Ferdinand Hodler und Cuno Amiet sind bis Anfang Mai im Bucerius-Kunst-Forum zu sehen.

Hamburg. Kein Künstler möchte über seine Arbeit lesen, dass er einen anderen kopiert oder variiert habe. Natürlich nicht. Gleichwohl haben sich zu allen Zeiten Kreative gegenseitig beeinflusst, immer im Spannungsfeld von Beflügelung und Missverständnis. Als Komplizen und Konkurrenten. 1893 begegneten sich die beiden Schweizer Maler Ferdinand Hodler und Cuno Amiet. Fünf Jahre später sollte Amiet im Auftrag eines Sammlers Hodler porträtieren. Aus der Wiederbegegnung erwuchs eine Freundschaft, von deren wechselseitigem Einfluss die Kunsthistoriker zutiefst überzeugt sind. Beide stehen für den europaweiten Aufbruch der modernen Kunst in der Schweiz.

Ferdinand Hodler (1853-1918) galt schon zu Lebzeiten als etablierter, einflussreicher Künstler an der Schnittstelle von Jugendstil und Moderne. Er vertrat einen eher monumentalen Stil der starken Linie, wurde in der Schweiz als Nationalkünstler gefeiert und mit großen Ausstellungen bedacht. Der 15 Jahre jüngere Amiet (1868-1961) stand lange im Schatten Hodlers, wies allerdings in seinem Farbauftrag, der häufig an van Gogh oder die Postimpressionisten erinnert, künstlerisch über den Freund hinaus.

Hodler fand durch Amiet zu einer intensiveren Farbigkeit und einer freieren Maltechnik. Umgekehrt orientierte sich Amiet stark am symbolistischen Gehalt von Hodlers Werken. Sein Potenzial erkannten auch die Künstler der "Brücke" und dienten Amiet einen Platz in ihrer Künstlergemeinschaft an, der er bis 1913 auch angehören sollte. Sie versprachen sich außerdem einen gesteigerten öffentlichen Einfluss ihrer Kunst von dem talentierten Netzwerker Amiet. Die ungewöhnliche Künstlerfreundschaft in all ihren Schattierungen beleuchtet bis zum 1. Mai die Ausstellung "Ferdinand Hodler und Cuno Amiet. Eine Künstlerfreundschaft zwischen Jugendstil und Moderne" im Bucerius-Kunst-Forum.

Zu sehen sind in der Schau verschiedene Werkgruppen, Landschaften, Selbstbildnisse und Porträts, die den Austausch der beiden Maler dokumentieren. Beide kamen von unterschiedlichen Stilüberlegungen her, was sicherlich zu ihrer gegenseitigen Faszination beitrug. Die Kunst Hodlers, dieses Einzelgängers, ist narrativer, erzählerischer. Amiets Arbeiten sind disparater, vom Experiment mit Farbe und Abstraktion geprägt.

Die Ausstellung dokumentiert eindrucksvoll den gegenseitigen Einfluss der befreundeten Künstler etwa in der Zwiesprache von Ferdinand Hodlers "Der Frühling" und Cuno Amiets "Die gelben Mädchen". Hodler entwickelte zwischen 1899 und 1910 vier Fassungen von "Der Frühling": Der Sohn des Malers, Hector, sitzt nackt neben einem Mädchen auf einer blühenden Löwenzahnwiese. Parallel erarbeitete Amiet um 1905 mehrere Versionen der "Gelben Mädchen". Er verewigte darin seine beiden Adoptivtöchter Lydia und Greti, ebenfalls sitzend auf einer mit Löwenzahnblüten übersäten Wiese.

Allerdings zeigt sich hier, dass Amiet eher eine an Gauguin angelehnte monochrome Farbigkeit suchte. Die Komposition ist verblüffend einfach und linear. Sein expressiver Umgang mit der Farbe wird wiederum Einfluss auf Hodlers dritte Version des "Frühlings" haben, die in den Jahren zwischen 1907 und 1910 entstand.

Die Freundschaft sollte allerdings einer Prüfung nicht standhalten. 1904 erlebte Amiet eine bittere Enttäuschung, als in einer Gruppenausstellung in der Wiener Secession Hodler eine exponierte Stellung eingeräumt wurde. Amiet war dagegen nur mit ein paar Werken vertreten und wurde als Hodler-Epigone tituliert. Er orientierte sich daraufhin um, suchte die Nähe internationaler Avantgarde-Kreise und hatte dort zunehmend Erfolg. Davon zeugt etwa das "Selbstbildnis in Rosa" von 1907, in dem Amiet sich in einer malerischen Radikalität bewusst von Hodlers Stil absetzte. Umgekehrt zeigte dieser in seinen späten Selbstbildnissen Einflüsse von Amiets freiem Stil.

Die Schau dokumentiert auch den wechselseitigen Einfluss der beiden Künstler in Phasen, in denen sie sich nicht gesehen haben. Erst 1918, als Amiet den schwer kranken Hodler in Genf besuchte, kam es zu einer späten Versöhnung. Hodler malte den wiedergefundenen Freund auf seinem Totenbett. Auch nach Hodlers Tod riss der Einfluss nicht ab. Die Schau offenbart einen Dialog der beiden Künstlerpersönlichkeiten über die Bilder. Eine verblüffende Zwiesprache, die das Sehen herausfordert.

"Ferdinand Hodler und Cuno Amiet. Eine Künstlerfreundschaft zwischen Jugendstil und Moderne" bis 1. Mai, Bucerius-Kunst-Forum, Rathausmarkt 2, Öffnungszeiten: täglich 11.00-19.00, Do bis 21.00