Bei den Lessingtagen gastiert Luk Percevals Amsterdamer Erfolgsproduktion “In Ongenade (Schande)“ nach John M. Coetzee

Thalia-Theater. Der Name führt in die Irre. "Disgrace" lautet der Originaltitel des Erfolgsromans von John M. Coetzee. Im Deutschen ist das 1999 mit dem Booker Prize dekorierte Werk des südafrikanischen Literaturprofessors unter dem Namen "Schande" wohlbekannt. "Disgrace" bedeutet aber auch "Ungnade". Der Autor selbst war es, der "Schande" als holländischen Titel ablehnte und stattdessen "In Ongenade" genehmigte.

Mit seiner Inszenierung des Stoffes an der Toneelgroep Amsterdam landete Thalia-Oberspielleiter Luk Perceval einen Riesenhit. Die Produktion wurde soeben für den Publikumspreis 2012 nominiert. Mit der Arbeit kehrte der flämische Regisseur nach Jahren erstmals wieder an eine holländische Bühne zurück. Am Sonnabend und Sonntag gastiert die Aufführung bei den Lessingtagen im Thalia-Theater.

Die Hamburger schätzen Perceval für seine monumentalen Shakespeare-Arbeiten wie "Schlachten" oder "Hamlet". Es muss aber nicht immer Shakespeare sein. "Das ist ein großer Stoff", sagt Perceval über Coetzees "In Ongenade". "Wenn man die Geschichte auf einer symbolischen Ebene liest, ist es fast eine Faustfigur in Südafrika."

Die Textfassung von Josse de Pauw erzählt im Südafrika nach der Apartheid vom Niedergang des vereinsamten Literaturprofessors David Lurie. In der Arbeit längst ohne Kraft, richtet er den Fokus auf das Verhältnis mit einer schwarzen Studentin. Als das auffliegt, entflieht er auf die Farm seiner Tochter. Und muss ohnmächtig miterleben, wie sie von Schwarzen überfallen und vergewaltigt wird.

Der Stoff hat eine klassische Dimension. Er erzählt die Geschichte eines alternden Mannes, der mit dem Schwinden seiner Potenz und akademischen Bedeutung klarkommen muss. Seine Gewissheiten über das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen lösen sich auf. Am Ende besteht der einzige Sinn seines Daseins darin, Straßenhunde zu erlösen. Perceval spürt in dem Stoff viel Schmerz, Verlust, Verbitterung. Keine Läuterung. "Der Professor teilt die Menschen in minderwertige und bessere ein", so Perceval. "Die Widerstände zwingen ihn am Ende, genauso viel Respekt zu haben für einen Hund, wie für einen Schwarzen."

Die Geschehnisse auf der Farm verdeutlichen die Macht der Natur als treibende Kraft. Luries Tochter entscheidet sich, das Kind zu bekommen - für Lurie ist das vollkommen unbegreiflich. "Es geht um die Akzeptanz des Lebens. Das ist ein universelles Thema", sagt Luk Perceval. Die Inszenierung sucht die Spannung in der Konzentration. "Mich interessiert der innere Mensch, nicht der äußere." Denn das sei doch das Tolle am Theater. Es schaffe dort Verständnis, wo uns etwas von der Welt trennt.

"In Ongenade (Schande)" 28.1., 20.00, 29.1., 19.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten von 9,50 bis 48,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de