Die neue Version von “Mein Kampf“ erweist sich als Mogelpackung, denn der Originaltext wurde geschwärzt

Hamburg. Hitlers 1925/27 erstmals veröffentlichtes Buch "Mein Kampf" erweist sich einmal mehr als unlesbar. Im aktuellen Fall jedoch nicht aufgrund des schwer verdaulichen Stils, in dem der spätere Diktator seine monströsen Gedanken verfasst hat, sondern weil der Text in einer Edition, die seit gestern an Deutschlands Kiosken unter dem gleich doppelt zutreffenden Titel "Das unlesbare Buch" zu haben ist, mit einer Art Nebel überzogen worden ist.

So sorgt die nationalsozialistische Programmschrift, die während des Dritten Reichs jedes Ehepaar vom Standesbeamten überreicht bekam, mal wieder für Aufregung. Schuld daran ist kein deutscher Neonazi, sondern ein britischer Verleger, vor allem aber das kaum mehr nachvollziehbare Vorgehen eines Münchner Ministeriums. "Geschichte erlesen", heißt das Motto, unter dem der britische Verleger Peter McGee seit 2009 den Nachdruck von Zeitungen aus der NS-Zeit auf den Markt bringt.

Seine Edition "Zeitungszeugen", die neben den Faksimiles stets einordnende Kommentare namhafter Zeitgeschichtler mitliefert, sorgte eigentlich nur einmal für Furore - bei ihrem Start 2009. Damals hatte das Bayerische Finanzministerium, das über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an NS-Zeitungen verfügt, die Edition beschlagnahmen lassen, war aber im Rechtsstreit unterlegen.

Inzwischen gehörten die "Zeitungszeugen" zum üblichen Angebot in Kiosken und im Bahnhofsbuchhandel. Das änderte sich, nachdem Peter McGee jüngst ankündigte, Auszüge aus dem Hitler-Buch zu veröffentlichen - in bewährter Weise von Historikern wie dem Dortmunder Zeitgeschichtler Horst Pöttker erklärt und kommentiert. Nachdem das Bayerische Finanzministerium, das merkwürdigerweise auch als Rechtsnachfolger des braunen Eher-Verlags über die Urheberrechte verfügt, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellte, lief McGee Gefahr, dass die aktuelle Ausgabe seiner "Zeitungszeugen" beschlagnahmt werden würde. Daher entschloss sich der Verlag, "die Originalauszüge von 'Mein Kampf' vollständig unlesbar zu machen, bis alle moralischen, politischen und rechtlichen Argumente dazu ausgetauscht und diskutiert wurden".

Was seit gestern verkauft wird, erweist sich daher als klassische Mogelpackung. In dem Zellophanpäckchen mit der Anmutung eines Bastelbogens finden sich zwar wie gehabt NS-Zeitungen ("Frankfurter Zeitung" und "Der Angriff" vom 6. und 24. März 1933) sowie exegetische Texte unter anderen von dem emeritierten Wiener Ordinarius für Zeitgeschichte, Gerhard Botz.

Doch keine Zeile von Hitler. Dafür aber ein 18 Seiten dünnes Broschürchen mit dem Konterfei des "Führers" auf dem Titel samt Schriftzug "Das unlesbare Buch". An der oberen Kante steht noch: ",Mein Kampf': Originalauszüge und Expertenkommentare", während ganz unten mit roter Schrift nachträglich aufgedruckt wurde: "Achtung! Originaltext entfernt". Was bleibt, sind Kommentare ohne Bezug, denn die originalen Passagen, die sich jeweils daneben befinden, wurden unleserlich gemacht. Die Kommentare allein machen wenig Sinn. Der Verleger hätte sich sparen können, die Broschüre überhaupt beizulegen.

Wie es weitergeht, werden die Gerichte entscheiden. Aber unabhängig davon, ob McGee oder das Bayerische Finanzministerium am Ende siegen werden, ist zweierlei schon jetzt klar: Erstens wird "Mein Kampf" in seiner vollständigen, fast 800 Seiten umfassenden Ausgabe ab 2015 sowohl im Internet als auch im deutschen Buchhandel zu haben sein. Dann läuft das Copyright des Hitler-Buches ab, jeder kann es drucken und verbreiten. Und zweitens wird sich dann erweisen, dass Hitlers ebenso hasserfülltes wie verquastes Machwerk heute keine Gefahr mehr ist, sondern vor allem eines: unlesbar.