Die deutsche Ausgabe von Andy Warhols “Interview“ überzeugt auf ganzer Linie

Hamburg. Vor etwa drei Jahren stellte der Verlag Condé Nast die deutschsprachige Ausgabe seines Gesellschaftsmagazins "Vanity Fair" ein. Wäre das Blatt ein Erfolg gewesen, würde es die heute erstmals erschienene deutsche Ausgabe des einst von Andy Warhol gegründeten Magazins "Interview" wohl nicht geben.

Hinter beiden Blättern steht derselbe Mann: Bernd Runge holte seinerzeit als Condé-Nast-Geschäftsführer "Vanity Fair" nach Deutschland. Kurz bevor das Magazin eingestellt wurde, verließ er den Verlag. Mit "Interview", dessen Herausgeber er ist, will es Runge noch einmal wissen. Und siehe da: Alles, was er mit "Vanity Fair" falsch gemacht hat, macht er mit "Interview" richtig.

Das beginnt schon beim Titel: Die Erstausgabe von "Vanity Fair" machte auf mit dem deutschen Ben Affleck für Arme, Til Schweiger. "Interview" hat mit Lana del Rey einen Weltstar auf dem Cover. "Vanity Fair" war eigentlich nichts anderes als eine aufgemotzte "Bunte", eher Berliner Ku'damm - das Blatt erschien in der Hauptstadt - als Fifth Avenue. Die deutsche "Interview" steht dagegen dem amerikanischen Original in puncto Weltläufigkeit und Glamour kaum nach. Das ist auch einfach, wenn man Stücke vom Mutterblatt übernehmen kann, wie jenes, in dem Clint Eastwood mit Angelina Jolie über deren Regiedebüt spricht, oder das Interview von Arianna Huffington mit Scarlett Johansson über die Occupy-Bewegung und Partys im Weißen Haus. Aber die deutsche Redaktion nimmt den Ball der US-Kollegen auf und lässt den Autor und Theater-Regisseur René Pollesch mit dem Philosophen Thomas Macho über Lady Gaga und Bertolt Brecht plaudern.

Positiv fällt das fast völlige Fehlen deutscher TV-Sternchen auf. Okay, an Judith Rakers kam auch "Interview" nicht vorbei. Und ob die Kolumne von Jung-Literatin Helene Hegemann auf Dauer trägt, ist auch nicht so ganz klar. Aber das sind Petitessen. Wichtiger ist, dass "Interview" seit einer gefühlten Ewigkeit als erste Neuerscheinung auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt auch richtig gut aussieht. Das 266 Seiten starke Blatt, das von dem russischen Milliardär Vladislav Doronin finanziert wird und in der Berliner Interview PH GmbH erscheint, ist jeden Cent der sechs Euro, die es kostet, wert.