Für die Quod Libet, die Hamburger Antiquariatsmesse, wurde Elias Canetti einmal um einen Beitrag für die Festschrift gebeten. Er antwortete mit einem empört fauchenden Brief, wie man es wagen könne, einem Nobelpreisträger eine solche Anfrage zu unterbreiten.

Nun sind wir Hamburger nicht nachtragend. Aber nach Lektüre des Briefwechsels zwischen Canetti und der Malerin Marie-Louise von Motesiczky bemerkte ein Rezensent, man gewinne den Eindruck, Elias Canetti sei ein Nörgler und rechtes Ekel gewesen. Aber Frauen haben sich offenbar scharenweise in ihn verliebt, anlässlich seines 65. Geburtstags will er sich von Dutzenden Geliebten trennen. Seinerseits war er höchst eifersüchtig und bewachte seine Freundin Marie-Louise von Motesiczky mithilfe wütender Unterstellungen.

Sein Briefwechsel mit ihr, 1906 als Kind einer reichen jüdischen Familie in Wien geboren, ist heute, insgesamt betrachtet, ein großer, tief unglücklicher Liebesroman. Er nannte ihre verzweifelte Liebe zu ihm einen Bandwurm, der mit ihr wachse. Dies ist nur ein Erzählfaden durch diesen mit penibler Sorgfalt, profundem Wissen edierten Briefband. Es gibt natürlich etliche andere Leseaspekte.

Insgesamt: Nachrichten aus der Zeit, als es noch Tage dauerte, bis ein Lebenszeichen kam.

Elias Canetti, Marie-Louise von Motesiczky: Liebhaber ohne Adresse. Briefwechsel 1942-1992. Hanser. 384 S., 24,90 Euro

In "Aufgeblättert" stellen im Wechsel Rainer Moritz (Literaturhaus), Annemarie Stoltenberg (NDR) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) Bücher vor.