Die sechsteilige, histrische Dokureihe “Lebt wohl, Genossen!“ auf Arte ist ein von 16 Sendern unterstütztes Mammutprojekt.

Berlin. Breschnews Redenschreiber lebt also noch und Ceaucescus Dolmetscher auch. Man staunt, denn die Herren, denen sie gedient haben, sind lange tot. Tot wie all die anderen Schreckensgestalten des Warschauer Pakts: Schiwkow, Husak, Kádár, Jaruszelski, Honecker. In der Arte-Produktion "Lebt wohl, Genossen!" feiern die Greise ihre Auferstehung. Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der am 25. Dezember 1991 mit dem Rücktritt Gorbatschows besiegelt wurde. Damals landete das Imperium, das bis dahin nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung beherrscht hatte, "mit einem Röcheln im Mülleimer der Geschichte". Sagt Regisseur Andrei Nekrasov, in dessen Augen Gorbatschow nichts anderes gewesen ist als ein "Kahlkopf mit provinziellem Dialekt".

Nekrasov gibt damit gleich zu Beginn den Ton vor, der das Mammutprojekt - beteiligt waren 16 Fernsehsender aus 14 Ländern - sehr unterhaltsam macht. "Lebt wohl, Genossen" bietet nicht den üblichen Fernsehgeschichtsunterricht der Marke Knopp, sondern ein kurzweiliges Kaleidoskop mit viel Platz für verschiedene Wahrheiten.

Arte sendet jeweils zwei Folgen en bloc. Heute Abend geht es um "Machtrausch" und "Bedrohung". Nach der Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte entstehen die ersten Haarrisse im System, aber die alten Männer des Politbüros - das Durchschnittsalter ist auf beängstigende siebzig angestiegen! - verstehen die Zeichen der Zeit nicht mehr und kennen nur ein Rezept: Repression. Im zweiten Teil sieht man Panzer in Danzig auffahren - O-Ton Breschnew: "Unsere polnischen Brüder werden wir nie im Stich lassen!" - und Sowjettruppen in Afghanistan einmarschieren. Das ist der Anfang vom Ende, in Folge sechs bricht dann zusammen, was zusammenbrechen musste.

Wer nach 312 Minuten noch nicht genug hat, kann sich durch die fabelhafte Webdoku klicken. Unter www.lebtwohlgenossen.com gibt es dreißig weitere Geschichten von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs.

"Lebt wohl, Genossen!" heute, 21.50 Uhr, Arte. 31.1.: Teil III Hoffnung, Teil IV Erwachen; 7.2.: Teil V Revolution, Teil VI Zusammenbruch