Die Hamburger Fabrik der Künste in Hamm würdigt mit der HR-Giger-Retrospektive den Mann, der das berühmte “Alien“ erschaffen hat.

Fabrik der Künste. Irgendwo in einem Züricher Zimmer, zwischen Skizzen, Plastiken und Büchern, versteckt er sich: der Oscar, den der Schweizer Künstler Hansruedi Giger, 71, im Jahr 1980 für die visuellen Effekte in Ridley Scotts "Alien" überreicht bekommen hat. "Ach, diese Auszeichnung war gar nicht so wichtig wie ein Oscar für eine schauspielerische Leistung", brummt der gemütlich-zurückhaltene Eidgenosse beim Interview in der Hamburger Fabrik der Künste. Dabei haben sein bedrückend düsteres Set-Design und vor allem seine bis heute beängstigende Vision des Aliens nicht nur für unvergessliche Kinomomente gesorgt, sondern auch die Fantasien ungezählter Fans, Filmemacher und Musiker entscheidend beeinflusst. Und wie die Retrospektive seiner Werke in der Fabrik der Künste zeigt, war "Alien" nur ein Abschnitt in seinem Schaffen, wenn auch der berühmteste.

1940 in Chur geboren, schloss HR Giger 1966 nach vier Jahren an der Hochschule für Angewandte Kunst in Zürich sein Studium der Innenarchitektur und des Industriedesigns ab. Anschließend machte er sich als Möbeldesigner für Knoll-International einen Namen, seine Leidenschaft gehörte aber seiner Fantasie der Biomechanik. Schon das Frühwerk "Gebärmaschine" (1964) zeigte alle Elemente, die seinen vom Surrealismus wie vom Fantastischen Realismus und der Aegyptiaca inspirierten Stil ausmachen: In einem Unterleib kauern drei außerirdisch wirkende Feten, ein vierter tritt auf einer mechanischen Spirale eine Reise ins Ungewisse an. Fruchtbarkeit als Ursprung und Zukunft des Lebens trifft auf befremdliche Technisierung. Zwei Grundelemente, die sich in den Folgejahren immer weiter annäherten, bis Körper und Welten eins wurden.

"Giger visualisiert wie kein anderer unsere Grundängste vor unbegreiflichen Wesenheiten und unkontrollierbarer Technik", sagt der Zürcher Giger-Experte Marco Witzig, 40, der sich vom zwölfjährigen Besucher einer Giger-Retrospektive über den Poster-Fan zum Sammler (ein großer Teil der Ausstellung stammt aus Witzigs Bestand) und Pfleger des Werkverzeichnisses immer enger dem Künstler gewidmet hat. Dabei sieht sich Giger nicht als ängstlichen Menschen: "Ich träume keinen Horror, ich brauche nur eine Pille zum Einschlafen, dann geht's", lacht er.

"Mich faszinieren andere Welten sehr", sagt Giger, und diese anderen Welten begannen auf ersten Ausstellungen immer weitere Kreise zu ziehen, als Giger 1968 seinen Beruf gegen die Freiheit der Kunst tauschte. Als Giger 1972 die Airbrush-Technik entdeckte, wurden seine Poster bereits weltweit vertrieben, Anfragen und Aufträge wurden mehr. So entwarf Giger zu Beispiel die Plattenhülle von Emerson, Lake & Palmers "Brain Salad Surgery" (1973) und viele weitere sollten folgen, von Pop bis Metal, von Debbie Harrys "KooKoo" (1981) bis zum ultraharten Brocken "Heatwork" (1994) von Carcass. Dabei gehört Gigers Herz bis heute dem Jazz, speziell Miles Davis.

1975 arbeitete der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky an einer gigantischen Verfilmung von "Dune" ("Der Wüstenplanet") und beauftragte HR Giger mit dem Entwurf der Ausstattung, aber das Projekt scheiterte aus Geldmangel und wurde erst 1984 von David Lynch - ohne Giger - verwirklicht. Immerhin veröffentlichte Giger seine Entwürfe für "Dune" 1977 im Bildband "Necronomicon". Drehbuchschreiber Dan O'Bannon, der ebenfalls am gescheiterten "Dune"-Film arbeitete, war davon so begeistert, dass er entschied, ein Drehbuch um ein "Giger-Monster" zu schreiben. Mit Regie-Newcomer Ridley Scott wurde "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" 1978 verwirklicht.

Giger entwarf das Alien, seine Entwicklungsstufen vom Ei bis zum ausgewachsenen Biest, seinen Einfluss auf die Umwelt, die fremdartige Mischung aus Parasitismus und Symbiose von Natur und Technik. Biomechanik. Die Maßstäbe, die "Alien" setzte, gaben Giger einen großen Schub. So prägte er auch "Poltergeist II" (1986), "Alien 3" (1992) oder "Species" (1995). Und auch wenn Giger nicht aktiv beteiligt war, wurden seine Visionen übernommen, mal bewusst wie in den "Alien"-Fortsetzungen, mal unbewusst. So zeigt die Hamburger Retrospektive auch Gigers frühe Tuschzeichnung "Underground" aus dem Jahr 1966: Zwei Frauen sind durch an den Wirbelsäulen angeschlossene Schläuche mit merkwürdigen externen Organitäten verbunden, ein Bild, das deutliche Assoziationen an das Filmmeisterwerk "Matrix" (1999) der Wachowski-Brüder weckt. "Die Leute, die Matrix gemacht haben, haben meine Sachen wohl auch gekannt. Mich begeistern die Matrix-Filme sehr."

Oft wurden Gigers Fantasien kopiert, ob im Film, auf CD-Hüllen oder Postern, aber seine Kunst blieb einzigartig, wie es die Fabrik der Künste zeigt: zahlreiche Biomechanoiden und Gebärmaschinen, Möbeldesigns wie der imperial-diabolische "Harkonnen-Stuhl" oder ein lebensgroßes, wie eine Sphinx lauerndes "Alien Monster".

Seinem Schaffen wurde 1998 das HR-Giger-Museum in Gruyères gewidmet, und auch wenn der Biomechaniker heute "etwas faul geworden ist", wie er sagt, bleibt sein Wirken gefragt. Im Juni 2012 erscheint Ridley Scotts neuer Scifi-Film "Prometheus" (ursprünglich als Alien-Vorgeschichte geplant), an dem auch Giger wieder mitgewirkt hat. Der Künstler gibt sich gewohnt bescheiden: "Ich habe Ridley Scott vor einigen Monaten ein paar Zeichnungen geschickt. Ich bin gespannt, ob er davon was brauchen konnte."

HR Giger - Retrospektive bis 4.3., Di-Sa 14.00-19.00, So 11.00-18.00, Fabrik der Künste (Bus.112), Kreuzbrook 12, Eintritt 5,-/3,-, Kinder u. 18 J. frei, T. 86 68 57 17; www.fabrikderkuenste.de