Der Klub Katarakt widmet sich von heute an bis Sonnabend auf Kampnagel neuen Dimensionen der Wahrnehmung.

Kampnagel. Machen wir uns nichts vor: Popmusik ist langweilig. In der Regel. Altbekannte Melodien werden zusammen mit gefälligen Schlüsselreizwörtern in Songs von drei bis vier Minuten verpackt. Diese leicht verdaulichen Audio-Happen sind meistens einer bestimmten Struktur unterworfen. Anfang und Ende sind klar markiert, dazwischen folgt Refrain auf Strophe auf Refrain - ad infinitum. Ob mit Gitarre, Keyboard oder Computer produziert, es ist immer die gleiche Leier. Das ist nicht unbedingt schlecht, denn das wiederholte Hören von Wohlfühlmelodien, die man mit einem besseren Leben verknüpft, macht glücklich - man muss es eben nur wissen.

Der auf Kampnagel stattfindende "Klub Katarakt" zeigt, dass es auch anders geht. Fast philosophisch wird bei diesem Festival von heute bis Sonnabend Musik als solche hinterfragt. Bei einer Podiumsdiskussion mit der legendären französischen Komponistin Eliane Radigue am Freitag (18 Uhr) wie bei der Vorstellung Hamburger Musiker und Kurzfilmer am Sonnabend, die eine knarzig-pulsierende Inszenierung synchroner Klänge und Bilder liefern.

Ein Musiker von ikonografischer Qualität auf dem Gebiet der experimentellen Musik ist John Cage, der am 5. September 100 Jahre alt geworden wäre und in gewisser Weise als Pate für Klub Katarakt herhält.

So ist auch die heutige Eröffnung um 19.30 Uhr John Cage gewidmet. In drei Hallen verteilt, führen das Hamburger Ensemble Nelly Boyd, Frauke Aulbert und Matthias Kaul vom Ensemble l'art pour l'art unter dem Namen "Musicircus" verschiedene Kompositionen des 1912 geborenen US-Musikers gleichzeitig und einander überlappend auf. Das Konzerterlebnis wird zur individuellen Erfahrung, da jeder Zuhörer eine andere Kombination von Kompositionen zu etwas Eigenem zusammensetzt. Ganz im Sinne des diesjährigen Klub Katarakt, der sich "mit unserem persönlichen Zeitempfinden auseinandersetzt und die Frage nach Anfang und Ende einer musikalischen Erfahrung thematisiert".

Auch die Mammut-Aufführung von Morton Feldmans Komposition "For Philip Guston" am Donnerstag um 19 Uhr führt Interpreten und Zuhörer mit einer Dauer von 4,5 Stunden in eine neue Dimension der Wahrnehmung von Zeit und Raum und bezieht sich mit einer kleinen Reminiszenz direkt auf Feldmans Freund und Weggefährten John Cage: Das Anfangsmotiv besteht aus den Tönen C - A(s) - G - E(s).

Ebenfalls am heutigen Mittwoch kann man eine Kollaboration der Hamburger Musikgruppen Tellavision und Halma erfahren. In ihrem Eine-Frau-Projekt Tellavision widmet sich die 1988 geborene Fee Kürten dem Lo-Fi-Klang. Rudimentäre Sphären aus Loops und Mundharmonika, akustischen Bildflächen, tief wie stille Gewässer. Die Unterfläche wird an die Oberfläche geholt. Das Quartett Halma entwirft mit seinen ebenfalls loopartigen Werken großes Kopfkino auf Reisen. Als ginge in Halmas Impro-Sound ein Stoff in den anderen über. Es scheint in seiner zehnjährigen Arbeit ein einziges zusammenhängendes Opus Maximum zu entstehen, in dem die Stücke nur Wegmarken in landschaftlichen Räumen festmachen, Fixpunkte eines Lebens in Bewegung. Stücke wie "Saint Tropez" und "Mimizan" auf dem aktuellen Album "Dissolved Solids" etwa zeichnen die Landschaft des titelgebenden Ortes nach und werden zu klanglichen Metaphern der sich bewegenden Seele, die die Zeit vergessen lässt. So rückt die Band (Thorsten Carstens, Andreas Voß, Fiona McKenzie und Anna Bertermann) mit Tellavision das Festivalthema in einen popmusikalischen Kontext. Popmusik hat auch ihre guten Seiten - man muss sie nur entdecken.

Klub Katarakt Mi 18.1.-Sa 21.1. Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestraße 20, Tagesticket 15,-/Festivalticket 30,-, das komplette Programm im Internet: www.kampnagel.de