Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

"Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht", heißt das Zweite Gebot. Das ist keine Aufforderung zum Protest oder gar zur Selbstjustiz, sondern zur Frömmigkeit. Mag sein, dass Christen einer explizit konservativen Prägung Formen aktueller Kunst, die sich mit Religion auseinandersetzt, als Blasphemie empfinden. Davon zeugt die offenbar zentral gesteuerte Aktion gegen die zu den Lessingtagen eingeladene Inszenierung "Gólgota Picnic". Aber niemand wird gezwungen, sich dem auszusetzen. Und oft erweist sich der pauschal erhobene Vorwurf der Blasphemie ohnehin als haltlos.

Das haben die Deichtorhallen 2003 erlebt, als sie während ihrer Foto-Ausstellung "Corpus Christi" mit Drohanrufen konfrontiert waren und 10 000 gleichlautende Protestkarten in der Post fanden. Hamburgs Erzbischof Werner Thissen empfand die Kunstwerke jedenfalls nicht als blasphemisch.

Wohin es aber führt, wenn sich Fundamentalisten dazu berufen fühlen, als "Werkzeuge Gottes" gegen Blasphemie vorzugehen, das hat sich zum Beispiel in den USA immer wieder schockierend gezeigt. Wer auf diese Weise droht, hetzt und vielleicht sogar handelt, hat die Bergpredigt offenbar aus dem Blick verloren. Dort heißt es: "Selig sind die Sanftmütigen!" Auch Fundamentalisten sollten die Seligpreisungen kennen.