Mit zwei Kollegen hat Türsteher Viktor Hacker die Gruppe Zeit für Zorn gegründet, die in Lesungen von Partys und Alltag auf dem Kiez erzählt.

Hamburg. "Türsteher ist kein Lehrberuf", sagt Viktor Hacker, "aber du musst 'ne ganze Menge können, um ihn richtig zu machen." Seit 25 Jahren steht der 1,78 Meter große und 92 Kilo schwere ehemalige Berufssoldat an verschiedenen Hamburger Klubs am Einlass, sondiert und sortiert. Gäste, die zu betrunken sind, kommen ebenso wenig an ihm vorbei wie solche, die ein aggressives Verhalten an den Tag legen. Meistens trollen sich die Abgewiesenen, laut fluchend, wobei Nazi-Vergleiche sehr beliebt sind. Aber Angriffe auf den Türmann kommen auch vor. Im Frühsommer packte ein Gast Hacker an der Kehle, jener fand sich darauf vor dem Headcrash am Hamburger Berg auf dem Bürgersteig wieder, um den Mann niederzuringen. Die Polizei stellt bei dem Störenfried später Kokain und eine große Dosis Schmerzmittel im Blut fest. "Wichtig ist, in solchen oft unübersichtlichen Situationen schnell zu entscheiden", sagt der 46 Jahre alte Türsteher.

Hacker verbringt nicht jeden Abend vor einem Kiez-Klub, der Mann mit der kräftigen Stimme arbeitet auch als Sprecher und als Kleinkunstdarsteller. Zusammen mit Carsten Pape und Achim Sengbusch gehört er zum literarischen Unterhaltungstrio Die Feuerbrüder, mit seinen Türsteher-Kollegen Mark Büttner und Henning Geisler hat er die Gruppe Zeit für Zorn gegründet, und die erzählt in einem Buch und in Lesungen von der Party-Welt zwischen Spielbudenplatz und Großer Freiheit, Reeperbahn und Hamburger Berg. "Dumm & brutal" haben sie ihr im Eigenverlag erschienenes Buch genannt und damit gleich zwei der gängigen Vorurteile gegen Türsteher in den Titel gepackt. Obwohl der Job oft einfach nur Alltag ist.

Donnerstagabend vor dem Headcrash, einem Liveschuppen auf dem Hamburger Berg. Oben rocken Razorking, unten hat Viktor die Tür allein im Griff. Vor allem Studenten kommen an diesem Abend, auch ein paar schwarz geschminkte Gothic-Fans kaufen Tickets und gehen die Treppe nach oben, wo die Musik dröhnt. "Entspannt heute", kommentiert der Türsteher mit dem großen Ohrring. Ein Mann möchte gerne mit seiner Bierflasche nach draußen, um zu rauchen. Hacker reicht ihm einen Plastikbecher: "Bitte umfüllen", sagt er bestimmt und zeigt auf die Schilder über der Tür. Gleich dreimal steht dort, dass Glasflaschen nicht mit nach draußen genommen werden dürfen. Rauchen ist im Headcrash ebenfalls verboten, ein riesiges Verbotsschild mit einer durchgestrichenen Zigarette macht das deutlich. "Für manche nicht deutlich genug. Manchmal stehen Leute mit einer brennenden Zigarette davor und wenn man sie auf das Verbot hinweist, sind sie erstaunt und sagen dann: ,Oh, ich dachte, das sei Kunst.'"

Im Laufe seiner Jahre vor dem Madhouse und dem Viva Wentorf, vor Grünspan, Große Freiheit 36, Molotow und Roschinkys hat Hacker eine Typologie der Gäste entwickelt, mit denen er jedes Wochenende zu tun hat. Wie die "Tüdeltante": "Das sind die Mädchen, die 'ne Viertelstunde in der Schlange stehen und dann in ihren großen Handtaschen rumwühlen, um ihr Portemonnaie zu suchen", beschreibt er. Oder "der dritte Mann": "Der wird von seinen Kumpels von beiden Seiten gestützt, weil er so betrunken ist, dass er nicht mehr stehen kann. Trinken will er eigentlich nicht mehr. Der ist oft froh, wenn wir ihm ein Taxi rufen und er nach Hause darf." Auch das sogenannte "Junggemüse" taucht jedes Wochenende auf. Damit meint Hacker minderjährige Mädchen, die sich cool am Türpersonal vorbeischieben wollen und entweder keinen Ausweis dabei haben oder den der großen Schwester: "Da steht dann als Größe 1,82 Meter, aber vor dir steht jemand, der höchstens 1,60 ist."

Die Geschichten, die das Trio für ihre Lesungen zusammengetragen hat, sind zum Teil grotesk, oft witzig und manchmal auch schmerzhaft. Sie sind immer authentisch, weil sie aus dem wahren (Nacht-)Leben stammen. Für die Lesung am heutigen Montag im Molotow empfiehlt sich rechtzeitiges Erscheinen, denn Zeit für Zorn ist fast immer ausverkauft.

Dort an der Tür oder über Hackers Mailadresse info@viktorhacker.de kann man auch das Buch "Dumm & brutal" kaufen. Es enthält so viele Stories aus dem Kiezalltag, dass die nicht alle in eine 90-minütige Leseshow passen.

Türsteherlesung Mo 16.1., 20.00, Molotow (U St. Pauli), Spielbudenplatz 5, Eintritt 5,-; Internet: www.molotowclub.com