“Zweimal lebenslänglich“ entwickelt in Altona eigene Zugkraft

Hamburg. Film und Theater flirten seit Jahren heftig miteinander und inspirieren sich. Hollywood verfilmt eine Komödie von Yasmina Reza ("Der Gott des Gemetzels"), das Schauspielhaus gibt "Der große Gatsby". Da will auch das Altonaer Theater mithalten und produzierte die Bühnenfassung von "Die Verurteilten" nach Stephen King. Diese basiert zwar auf dessen Short Story "Rita Hayworth and Shawshank Redemption", verwendet jedoch zur Verdichtung und dramatischen Steigerung Elemente aus dem Drehbuch des Kinohits mit Tim Robbins und Morgan Freeman. Der Erzähler Red rollt aus seiner Sicht die Geschichte des unschuldig wegen Mordes zu "Zweimal lebenslänglich" verurteilten jungen Bankers Andy auf, der sich in der Rechtlosigkeit des Gefängnisses durch Grips und Selbstbewusstsein behauptet und sich sein Recht verschafft.

Auf der Bühne entwickelt der humanistische Thriller in Axel Schneiders Inszenierung eine eigene Zugkraft und Spannung - auch dank der beiden Hauptdarsteller. Konstantin Graudus gibt einen schlitzohrigen Red und "Mr. Beschaffer" mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, er hält als Erzähler die Zuschauer an der Kandare. Tommaso Cacciapuotis smarter Andy entwickelt sich clever zum Drahtzieher seines Ausbruchs. Andy setzt den Aufbau einer Bibliothek durch und weiß sich beim Knast-Boss mit illegalen Geldgeschäften unentbehrlich zu machen. Ein gefährliches Spiel, das Argwohn und Neid der Häftlinge provoziert, schlagkräftig und typgerecht verkörpert vom Männer-Ensemble. Harald Weiler gibt dem Bibel-schwingenden Bösewicht Stammas sein Pokerface, in der Opferrolle des jungen Rebellen Tommy gelingt Paul Jumin Hoffmann ein sicheres Hamburg-Debüt.

Ulrike Engelbrecht baute mit Ziegelmauer und Pfeilern einen abgeschlossen wirkenden, doch flexiblen Raum. Lichtführung und Mobiliar ermöglichen einen filmartig raschen Wechsel vom Hof zu Büro, Bibliothek oder Zelle. Dennoch würden die Macht- und Unterwerfungsrituale in der Männergruppe vor allem im ersten Teil noch mehr Härte und Tempo vertragen, um richtig unter die Haut zu gehen.

Die Stückfassung und Schneiders Inszenierung rücken Kings Kritik am Strafvollzug in den Mittelpunkt, bei dem im Namen des Gesetzes Menschenrecht und -würde gebrochen werden. Die Aufführung singt (nicht ganz unsentimental im Schneetreiben) das Lob der Kameradschaft unter Kerlen und nicht zuletzt das der Kraft von Büchern: Sie schenken - darin auch dem Theater und Film ähnlich - in physischer wie psychischer Unfreiheit die Stärke, durch Bildung, Fantasie und Hoffnung zu überleben.

"Zweimal lebenslänglich" bis 19.2., Altonaer Theater, Karten-T. 399 85 870; www.altonaer-theater.de