Das Kino-Comeback der Muppets bescherte dem Disney-Konzern in den USA eine bizarre Klassenkampfdebatte. Was steckt dahinter?

Hamburg. "Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht schon längst hinter dir her sind." Nach dieser wahnwitzigen Devise des Fantasy-Autors Terry Pratchett liefen einige US-Medien in den letzten Wochen verbal Amok, sobald sie vermeintlich harmlosen Kinderfilmen aus dem "liberalen" Hollywood ausgesetzt waren. Bei "liberal" muss man sich allerdings noch einen angewiderten Unterton dazudenken, gefolgt von einem Stoßgebet für die verwirrten Showbusiness-Seelen im gottlosen, geldgeilen Sündenpfuhl dieser Alptraumfabrik.

"Betreibt Hollywood etwa Klassenkampf, um unseren Kindern eine Gehirnwäsche zu verpassen?", fragte ein Moderator des rechten TV-Senders "Fox Business" am 2. Dezember mit erboster Stimme. "Und wie, und die machen so etwas schon seit Jahrzehnten!", antwortete ihm ein Mensch, der als Medienforscher eines konservativen Think Tanks deklariert wurde. "Hollywood, die Linken, die Medien, die hassen die Ölindustrie! George Clooneys ,Syriana' oder auch ,There Will Be Blood' - keiner dieser Filme zeigt, wie viel Gutes man mit Öl machen kann. Krankenwagen benötigen Benzin, damit sie uns ins Krankenhaus bringen können! Und da wundern wir uns noch über die ,Occupy Wall Street'-Demonstranten? Die sind diesem Zeug jahrelang ausgesetzt worden."

Danach fragte eine Co-Moderatorin: "Was ist so schlimm daran, reich zu sein? Warum lassen die Liberalen unsere Kinder nicht einfach in Ruhe? Die wollen sie kriegen, wenn sie noch jung sind!" Und der "Fox"-Moderator bolzte grobrhetorisch zurück: "Warum werden die Bösen nicht mit Personen aus der Obama-Regierung besetzt? Wir bringen unseren Kindern Klassenkampf bei - ja, wo sind wir denn, im kommunistischen China?"

Auslöser dieser nach McCarthy klingenden Hysterie, die zu wahr ist, um im Jahr 2012 noch lustig zu sein, war kein stalinistischer Staatsstreich im Weißen Haus, sondern ein chaotischer Haufen bunter Handpuppen mittleren Alters auf einer morschen Varieté-Bühne. Die Muppets sind wieder da, 13 Jahre nach ihrem letzten Kinofilm kehren Kermit, Miss Piggy & Co. mit einer nostalgiegetränkten Wiedervereinigungs-Geschichte auf die Leinwand zurück. Alles ist wie früher: Fozzie kann keine Witze erzählen, Miss Piggy - die die ihren ersten Auftritt als Übergrößen-Redakteurin bei der Pariser "Vogue" hat - kann nicht singen. Der blonde Teufel trägt hier aber nicht Prada, sondern Zac Posen und High Heels von Louboutin. Tier kann sich beim Trommeln nicht beherrschen, und Gonzo der Große kann immer noch nicht fliegen. Nur abstürzen. In Deutschland läuft der Film am 19. Januar an. Darin kämpft die Truppe um den großherzigen grünen Banjozupfer um ihr Theater, auf dessen Grundstück es ein geldgieriger Großindustrieller abgesehen hat, um dort nach Öl zu bohren. Der heißt - nomen est omen - Tex Richman und wird überraschenderweise nicht gerade als Sympath dargestellt.

Mag sein, dass der gerade seine Fahrt aufnehmende Präsidentschafts-Wahlkampf, in dem die Rechten und erst recht die ganz weit außen Rechten Morgenluft wittern, einigen politischen Journalisten mit schlichteren Gemütern endgültig die Murmeln durcheinandergebracht hat.

Wahrscheinlicher und bedenklicher allerdings wäre es, wenn diese kruden Interpretationen der lustigen Styropor-Strolche tatsächlich so ernst gemeint sind, wie sie klingen. Denn hinter dem "Muppets"-Comeback steckt keine Briefkastenfirma mit nordkoreanischen Geldgebern. Sondern, ausgerechnet: Disney. Ein All-American-Unterhaltungs-Konzern, der seit Jahrzehnten dafür bekannt ist, beim Thema Political Correctness eher viel zu eifrig zu sein als nur ein wenig zu nachlässig.

Familientauglich und sauber soll alles sein, was Disney auf den Markt und die Bildschirme bringt, konsumfreundlich und nett. Nett soll sich lohnen, und die Hände bleiben auch nach Sendeschluss stets brav über der Bettdecke. Eine schöne Vorgeschichte dieser Geschichte: In ihrer Anfangszeit im März 1975, als sie noch nicht Disney-Eigentum waren, machten sich die Muppets in ihrer zweiten Pilotfolge namens "The Muppet Show: Sex and Violence" über die damaligen Unsitten des US-TV-Programms lustig.

Der rote Grüne und seine sozialistischen Spießgesellen sind nicht die einzigen "liberalen" Entertainer, die an den Pranger gestellt wurden. Auch die Pinguine in "Happy Feet 2" mussten kürzlich dran glauben. Die "New York Post", eher kein Intellektuellenblatt, warf dem computergenerierten Film vor, "Kiddie Karl Marx" zu propagieren, mit einer breiten linkslastigen Agenda: Die globale Erwärmung, als Schreckgespenst ja eines der Lieblingsthemen der Hollywood-Liberalen, komme dort vor. Einer der Songs könnte mit Zeilen wie "Lasst uns zusammenarbeiten/um unser Leben zu verbessern" glatt ein Protestlied der Wall-Street-Belagerer sein. Latino- und euroamerikanische Pinguine tun sich zusammen, man soll also Immigranten tolerieren. Die beiden Minikrebse, denen Brad Pitt und Matt Damon ihre Stimmen liehen? Wenn das mal nicht zwei sich außergewöhnlich nahe stehende Junggesellen sind ...

Was das Propaganda-Kollektiv um den Genossen Kermit und die Kapitalisten-Karikatur angeht - im "Hollywood Reporter" sagte "Muppets"-Regisseur James Bobin: "Die Muppets sind keine Kommunisten. Richman ist nicht böse, weil er für eine Ölfirma arbeitet, sondern weil er böse ist." Was für eine Weltmacht, in der man Wahlberechtigten auf diese Weise Kindergarten-Gleichnisse buchstabieren muss.

Der TV-Beitrag ",Fox Business' ,Follow The Money' ,Unmasks The Muppets' Liberal Agenda: ,Brainwashing' Your Kids Against Capitalism?'": www.youtube.com/watch?v=jl6ekkvWnOE .