Hamburg. Bei den Kammerkonzerten im Mozartsaal scheint die Klassikwelt noch in Ordnung zu sein. Der Geigerin Midori und dem Pianisten Özgür Aydin lauschte ein aufmerksames, merklich kundiges Publikum. Nur voll war der Saal leider nicht, und das bei einem so klingenden Namen.

Schade für alle, die den Weg in die Moorweidenstraße nicht gefunden haben. Sie haben nicht weniger verpasst als ein tief beeindruckendes Plädoyer für das sogenannte Wesentliche. Unter den vielen, die den Geigerolymp bevölkern, ist Midori eine Kategorie für sich. Sie weiß in jedem Sekundenbruchteil, was sie tut. Selten verbinden sich brillante Technik und tiefsinniges, reflektiertes Musizieren dermaßen schlüssig wie bei der in Osaka geborenen Midori.

Wie Midori jenseits aller Stildiktate ihren Tonfall findet, zeigte sie mit ihrem klug gemachten Programm. Anton Dvoraks "Vier romantische Stücke" gestaltete sie ohne falsche Folklore zu Skizzen von eigenem Charakter. Es war bestimmt kein Zufall, dass das traumverlorene letzte Larghetto motivische Ähnlichkeit mit der nachfolgenden "Regenlied"-Sonate von Johannes Brahms hatte. Die stellte Midori mit schier endlosem Atem unter einen großen Spannungsbogen.

Und in György Kurtags hochverdichteten "Tre pezzi" aus dem Jahre 1979 ließ sie jedes Motiv sprechen.

Schade nur, dass Özgür Aydin am Klavier mit Midoris Format nicht mithielt. Beethovens berüchtigt virtuose "Kreutzer"-Sonate schreckten ihn nicht, er wirkte eher unterspannt. So fiel manches auseinander; zu Akzenten stampfte er gerne nach Jazzermanier mit der Ferse auf. Das passte nicht recht zum Stück. Midori jedoch zog aus der Sonate pure Essenz.