Beim rituellen Auftaktkonzert treten Sänger Moritz Krämer und drei weitere Bands für einen Schnäppchenpreis auf

Knust. Er ist klein und gedrungen, nicht besonders hübsch, auch singen können andere schöner. Die Rede ist nicht von einem Musiker, sondern von einem Spatz. Über diesen Allerweltsvogel hat Moritz Krämer einen Song geschrieben, lustig und traurig gleichermaßen. Es ist eine Allegorie auf einen depressiven Außenseiter, der mit der Welt abgeschlossen hat. "Eine Woche lang betrank er sich aus schmutzigen Pfützen / Er blieb reglos liegen, ohne sich vor Katzen zu schützen / Er tat gar nichts, er hatte es satt", reimt Krämer darin.

Der 1980 geborene Sänger gehört zu den talentiertesten deutschen Songschreibern, im vergangenen Frühjahr hat er auf dem Hamburger Tapete-Label sein Debütalbum "Wir können nix dafür" herausgebracht. Es ist eine Liedersammlung mit ungewöhnlicher Poesie und zarten Melodien.

Krämer, der in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Theatermusiken geschrieben und in Berlin Filmregie studiert hat, ist einer von vier Künstlern, die heute beim "Jahreseinläuten" im Knust auf der Bühne stehen werden. Der Abend ist typisch für das Konzept des Klubs im ehemaligen Schlachthof: Seit Längerem bietet das Knust jüngeren Musikern eine Plattform, sei es im Vorprogramm der vielen amerikanischen Künstler, die hier traditionell Station machen - oder sei es im Paket mit anderen lokalen Musikern. Wobei Moritz Krämer am heutigen Abend der Einzige ist, der nicht in Hamburg lebt. Seine Verbindung zur Hansestadt ist durch sein Label Tapete Records jedoch ebenfalls eng.

Eine Zugereiste ist auch Dorit Jakobs. Die Sängerin und Gitarristin stammt aus Bremerhaven, das in Sachen Popmusik ein nahezu weißer Fleck auf der Landkarte ist. Lediglich Stephan Remmler, Sänger der 80er-Jahre-Combo Trio, kommt aus der Stadt an der Wesermündung. Schon als Fünfjährige träumte Dorit Jakobs davon, Gitarre zu spielen. Auf einem Kinderfoto hält sie den Federballschläger wie eine Gitarre.

Mit 14 fing sie an, sich ernsthaft mit dem Schreiben von Popsongs zu befassen, nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, knüpfte Kontakte, nahm ein erstes Album auf und trat besonders im Knust immer wieder vor anderen Kollegen auf, die schon ein Stück bekannter oder berühmter waren als sie selbst. Heute hat sie die nächste Chance, auf sich aufmerksam zu machen.

Den Durchbruch hat auch Estuar noch nicht geschafft, obwohl die Band sich bereits 2003 gründete. Das Quintett um die Sängerin Helena de Pablos veröffentlichte vor zwei Jahren mit "Felicium" ein Album, das für seinen Stilmix aus Indie-Pop, Folk, Jazz und Chanson erstklassige Kritiken erntete. Aber vielleicht ist die Musik von Estuar zu besonders, nicht eingängig genug, um ein Massenpublikum zu begeistern. "Shycore" nennt die Hamburger Band selbst ihren Stil. Wenn die Gruppe heute auf der Bühne im Knust steht, wird sie ihre Zurückhaltung sicher ablegen: Estuar gilt als starke Liveband.

Als vierter Act an diesem langen Abend wird Spring Leads You Home Tonight spielen, ebenfalls ein Hamburger Eigengewächs. Die acht Mitglieder der Gruppe kennen sich zum Teil schon seit ihrer Kindheit in Bergedorf; komplettiert hat sich die Band an der Uni Lüneburg. Die Gruppe mit dem langen Namen orientiert sich an amerikanischen Vorbildern aus dem Country- und Folkrock. Ihr größter Erfolg bisher war ein Auftritt im Vorprogramm des Konzerts von Okkervil River im vergangenen Jahr im Uebel & Gefährlich.

Es gibt heute Abend im Knust also einige talentierte Künstler zu entdecken, und das auch noch zu einem ausgesprochen attraktiven Eintrittspreis: Zehn Euro für vier Bands sind ein echtes Schnäppchen. Solange die Musiker auf ihrem beschwerlichen Weg nach oben auf Spitzengagen hoffen, packen sie ihre Instrumente eben auch mal für eine Spatzengage aus.

Jahreseinläuten heute, 21.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten zu 10,-; Infos im Internet: www.knust-hamburg.de