In “Jonas“ ist Ulmen aktuell als 18-Jähriger, ewiger Sitzenbleiber zu sehen. Das Abendblatt hat seine Erfolgsgeschichte genauer angeschaut.

Christian Ulmen ist sicher (ganz sicher!) zu klug, um auf die seltsame Idee zu verfallen, eine Autobiografie zu schreiben: Das sollte man grundsätzliche erst tun, wenn die Gelenke schmerzen oder das Enkelkind ein Eis will. Also, gehen wir davon aus, dass Ulmen, Jahrgang 1975, ein kluger Mann ist und darauf verzichtet, seine natürlich lächerlichen Hälfte-des-Lebens-Abenteuer zu Papier zu bringen. Aber wenn er es täte, nur wenn: dann sollte die Erfolgsgeschichte des Schauspielers, Moderators und Humoristen unbedingt mit dem Kapitel anheben, das von der ungestümen Selbstvermarktung eines Teenagers erzählt.

Ein bisschen aber auch von der Hartleibigkeit des Hamburger Abendblatts: Was waren wir stur damals. Erkannten einfach die Talente des jungen Mannes nicht, der da so unverstellt und frech Sendungen im Offenen Kanal machte und die im Abendblatt beworben wissen wollte. Laut Wikipedia wurde er für seine ersten TV-Erfahrungen sogar mit dem "Junior Reporter Preis" von Peter Scholl-Latour ausgezeichnet!

Sapperlot. Hat uns wenig beeindruckt. Seine Sendungen wurden bei uns nie angekündigt. Was auch daran lag, dass der forsche Bengel sein Tun überaus penetrant anpries. Eine sehr geschätzte Kollegin hat immer noch die quäkende Stimme Ulmens im Ohr: Die Jugend hält sich ja stets für den Mittelpunkt des Universums. Ein Missverständnis, das mit jeder Etappe des Älterwerdens durch Vorstellungen ersetzt wird, die mehr Realitätssinn signalisieren: Wir sind, um mit Blumfeld zu reden, nichts anderes als eine "Eintragung ins Nichts". Der junge Ulmen wusste dies noch nicht.

Christian Ulmen spielt Außenseiter mit Wiedererkennungswert

Ulmen feuerte also auf allen Kanälen, um ins Abendblatt zu kommen, und er war auch später kein Kind von Traurigkeit: Seine Street Comedy aus den frühen deutschen MTV-Jahren (seit 1998 sendete der Musiksender auch in deutscher Sprache) gehört zu dem Besten, was in diesem Genre überhaupt zu sehen war. Ulmen, der in Neuwied geborene und in Hamburg aufgewachsene Dampfplauderer, schlüpfte gerne in skurrile und auch mal depperte Rollen, die schon lange bevor Christoph Maria Herbst ("Stromberg") den TV-Bildschirm eroberte, eine Empfindung in uns hervorrief, die wir heute allgemein als "Fremdschämen" bezeichnen.

In der Disziplin, die ebendiese Erfahrung hervorzurufen vermag, ist vor allem Ulmens psychologische Meisterleistung "Mein neuer Freund" unerreicht. Die von ihm in diesem Format dargestellten Charaktere sind vor allem eines: peinlich. Wie man überhaupt Ulmen als den begnadetsten Darsteller von neurotischen oder bizarren Figuren bezeichnen kann. Er spielt Außenseiter, und er stellt ihr abseitiges Bemühen, in unserer unbarmherzigen Gesellschaft einen Platz zu finden, besonders gerne dar, wenn der Wiedererkennungswert hoch ist - bei aller Übertreibung. Ulmens frühere Sternstunden ("Uwe Wöllner", "Alexander von Eich") sind auf YouTube zu besichtigen. In ernsthaften Rollen hat man ihn im Kino auch schon gesehen ("Elementarteilchen"), meist aber ist er der ewige Kasper oder Komödiant ("Herr Lehmann", "Maria, ihm schmeckt's nicht", "Dr. Psycho"). Und es überrascht uns gar nicht, wenn Ulmen in seinem jetzt anlaufenden Film "Jonas" einen gerade volljährigen Pennäler spielt. In Brandenburg. In der Provinz. Der Kindskopf Ulmen - die Zuschreibung ist auch in diesem Fall nichts anderes als ein Kompliment. In "Jonas" kämpft Ulmen um seine Versetzung - in einer echten Schule. Es ist ganz köstlich, seinen Jonas mit Gleichaltrigen zu sehen, die nichts davon wissen, dass sie es hier mit einem Schauspieler zu tun haben. Herr Ulmen: Sollten Sie mal wieder eine Sendung im Offenen Kanal Hamburg machen: Wir kündigen Sie an, aber gerne doch.