Liebe, Macht, Intrigen: Eine Hamburger Reederfamilie streitet im ZDF-Film “Die Schuld der Erben“ über den Verkauf der eigenen Werft

Wer für eine Dynastie verantwortlich ist, hat's nicht leicht. Elizabeth II., Königin von England, kann davon genau so ein Lied singen wie die Oberhäupter anderer Herrschaftshäuser. Aber auch in bürgerlichen Traditionsfamilien und -firmen gibt es häufig ein Hauen und Stechen um Erbfolge und Vermögen, um Verantwortung und Macht. Lügen und Intrigen sind ein bewährtes Mittel, um die eigene Position zu sichern oder zu verbessern.

Regisseur Uwe Janson hat so eine Clan-Geschichte in Szene gesetzt, "Die Schuld der Erben" heißt das zweistündige Fernsehspiel, Schauplatz ist Hamburg mit seinen mondänen Villen an der Elbchaussee und den schwimmenden Docks im Hafen. Die Asmussens sind eine traditionsreiche Reeder- und Werft-Familie. Um die Firma steht es allerdings nicht zum Besten - sie soll an eine Investorengruppe verkauft werden. Als dann auch noch der Prototyp eines neuen Frachters vor der norwegischen Küste verunglückt und eine Umweltkatastrophe verursacht, droht der endgültige Untergang. Doch die Familie ist sich uneins. Leonard Asmussen (Otto Sander), der knorrige Patriarch, will nicht verkaufen, ebenso wenig seine Tochter Clara (Lisa Martinek), die fernab von Hamburg mit Mann und Sohn in Norwegen lebt. Nur Sohn Henning (Johann von Bülow) betreibt den Verkauf, weil er die Macht des Vaters brechen und sich von den neuen Eigentümern zum Vorstandsvorsitzenden ernennen lassen will.

Die zentrale Figur in diesem Ränkespiel um Firmenanteile, Familiengeheimnisse und Sabotage an dem havarierten Schiff ist Clara. Lisa Martinek spielt sie als anfangs zutiefst verunsicherte Frau, die eigentlich mit der Familie nichts mehr zu tun haben will. Doch nach dem Unglück in Norwegen erkennt sie, dass sie Verantwortung übernehmen muss und entwickelt sich zu einer klug handelnden, selbstbewussten Geschäftsfrau, die entschlossen das Ruder in die Hand nimmt. Hilfe holt sie sich bei Kurt Hanson (Jürgen Prochnow), einem Rivalen ihres Vaters und ehemaligen Geliebten ihrer verstorbenen Mutter. Immer wieder taucht in Rückblenden der mysteriöse Segelunfall von Claras Mutter auf. Kurt Hanson ist der einzige Mensch, dem Clara vertraut. Als Kind stand er ihr näher als der eigene Vater.

Uwe Janson und die Drehbuchautoren Florian Iwersen, Stefan Holtz und Marcus Hertneck haben es geschickt verstanden, den Familienkonflikt mit einer Crimestory um das verunglückte Schiff zu verbinden. An der Seite eines undurchsichtigen Journalisten (Matthias Koeberlin) versucht Clara herauszufinden, was der wirkliche Grund für das Kentern des Frachters war, dabei begibt sie sich in tödliche Gefahr. Ebenso versucht sie Licht in das Dunkel um den Tod ihrer Mutter zu bringen, dessen Umstände in der Familie totgeschwiegen werden. Zwei Stunden dauert der Film, doch er verliert niemals an Spannung, zumal das Autorenteam zum Ende mit ein paar überraschenden Wendungen aufwartet.

Auch wenn sich viele Kameraeinstellungen auf die gewohnten Hamburg-Bilder (der Hafen, die Villen) beschränken, bietet "Die Schuld der Erben" überdurchschnittliche Fernsehunterhaltung. Das wiederum ist ein großes Verdienst der Schauspielerriege, die für diesen Fernsehfilm gecastet wurde: Jürgen Prochnow, Otto Sander, Gaby Dohm, Katharina Wackernagel. Lisa Martinek, die in Hamburg die Staatliche Schauspielschule absolvierte und unter anderem am Thalia-Theater gespielt hat, ragt aus dem Ensemble heraus. "Diese Rolle ist ein Geschenk", sagt die jetzt in München lebende Schauspielerin, die im kommenden Frühling ihr zweites Kind erwartet. Sander und Prochnow sind gewohnt präsent, während Johann von Bülow sich mit der Rolle des glatten Intriganten zufriedengeben muss. Er kann ihr keine besondere Kontur geben - zu übermächtig ist in diesem Spiel Lisa Martinek.

"Die Schuld der Erben" ZDF, 5.1., 20.15 Uhr