Die Regieabsolventen 2012 an der Theaterakademie präsentieren ihre Diplominszenierungen auf Kampnagel

Hamburg. Die diesjährigen Absolventen des Schauspielregie-Studiengangs an der Theaterakademie fürchten sich offenbar nicht davor zu scheitern. Selbstbewusst stellen sie die Präsentation ihrer Diplominszenierungen auf Kampnagel unter das Motto "Havarie 2012". Sie haben wohl gelernt und erfahren: Kunst, speziell die auf der Bühne, erfordert den Mut, auch das Scheitern in Kauf zu nehmen. Denn beim Inszenieren - Klassiker oder nicht - läuft rasch irgendetwas schief. Profilierte Regiegrößen haben sogar einsehen und bekennen müssen, bis zu einem fürs Publikum mehr oder weniger erkennbaren Grad in der Arbeit immer zu scheitern. Im Wissen darum liegt auch eine Kraft für Kreativität.

Eigenwillige, künstlerisch bereits ausgeprägte Persönlichkeiten stellen sich in den formal verschiedenartigen "Havarie"-Projekten vor. Matthias Mühlschlegel entwickelte mit seiner Künstlertruppe "Unkoordinierte Bewegung" kollektiv das Stück "Die fliehenden Hafen oder das Schwarze Ei". Die Performance handelt von der Flucht aus dem ziellosen Herumirren in der Flexibilität und Mobilität der Verhältnisse und dem Erproben anderer Möglichkeiten von Bewegung.

Dagegen bevorzugte Babett Grube ein fertiges Drama, Jon Fosses "Ein Sommertag". Sie gehört noch zum vorigen Jahrgang, mit dem sie beim gemeinsamen Projekt "Acht Pfund Welt" auch als Performerin im Lichthof agierte. Grube hat bereits am Thalia-Theater in Halle, am Deutschen Theater in Göttingen, in Kiel und zuletzt in Bielefeld Oliver Klucks "Das Prinzip Meese" inszeniert. "Es handelt von meiner Generation der Dreißiger, über die jetzt so viele schlechte Bücher geschrieben werden", sagt Grube. "Ich suchte nach einem Stück, das unsere Situation zehn Jahre später zeigt. Von Vierzigern, die sich mit Job, Geld und Ehe in der Nussschale einer Idylle eingerichtet haben, die sich natürlich als eine Illusion herausstellt."

Die Regisseurin schätzt an Fosses Stücken die Dichte seiner Texte und den szenischen Minimalismus. Bei deren Umsetzung auf der Bühne bestehe allerdings die Gefahr zu scheitern. "Sie können leicht sehr banal klingen." Feinarbeit sei gefordert. Und eine gewisse Freiheit für die Schauspieler, damit ihr Spiel lebendig und wahrhaftig bleibt.

Im Februar folgt Lea Connerts Version von Tankred Dorsts "Parzival" und "I am here Doctor Faustus" nach Gertrude Steins sprachexperimentellem Opernlibretto "Dr. Faustus Lights the Lights" von der Deutsch-Amerikanerin Julia Dittrich. Auch Felix Meyer-Christian garantiert ein originelles, eher performatives Projekt. Der Diplom-Geograf und Regie-Quereinsteiger ist beim Kiezstürmer-Festival mit seiner "costa compagnie" und "Sturm auf St. Pauli", einer schrägen, musikalischen und witzigen Shakespeare-Collage aus Traumspiel und Varieté-Show, aufgefallen. Nach seinem riskanten, in die Zeitgeschichte projizierten Zugriff auf "Das Erdbeben in Chili" von Kleist beim Kaltstart-Festival wagt er sich an dessen Novelle "Michael Kohlhaas" und beendet mit der Premiere am 15. Februar die szenischen "Betriebsstörungen". Als Nachzüglerin ist Greta Pagan mit ihrer Projektentwicklung "Und woher weiß ich, wer ich bin?" im Juni das Schlusslicht. Da es auch um Diplomprüfungen geht, sind hoffentlich bei den Entwürfen von Perspektiven für die Zukunft keine ernsthafteren Theaterunfälle zu erwarten.

"Ein Sommertag" 6.-8.1., jeweils 19.30;

"Die fliehenden Hafen oder das Schwarze Ei" 6.-8.1., 21.00, Kampnagel, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de