Weiß Gott, nicht alles an gestern ist schlecht: Die legendäre deutsche Band Lake hat ihr Jahresendkonzert in der Fabrik gegeben.

Hamburg. Von Zeit zu Zeit sehen wir die Alten gern. Und diese Zeit liegt metaphysischerweise stets zwischen den Jahren. Ian Cussick, Hannes Bauers Orchester Gnadenlos und Lake bilden seit Jahren das Rockdinosaurier-Triumvirat, das mit seiner verlässlich-unveränderlichen Musik zwischen Weihnachten und Neujahr die Altonaer Fabrik beschallt. Cussick pausiert in diesem Jahr, Bauer spielt heute, wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag, mit seinem Bluesrock-Trio, Lake ließen am vergangenen Mittwoch alte Zeiten hochleben.

Alles an ihrer Musik ist gestern, und Gott weiß, nicht alles an gestern ist schlecht. Alex Conti, Herz der Band seit 1975 und, nach zwischenzeitlicher Auflösung, vor neun Jahren ihr Wiederbeleber, spielt diese gute, alte, ehrliche Rockgitarre, bei der zwischen Instrument und Verstärker nicht viel mehr als ein Echogerät und ein Verzerrer geschaltet sind. Sein Sound hat Autorität.

Conti ist kein virtuoser Techniker, sondern ein Rock-Erzähler, der den Tönen trotz seiner Effektgeräte ihre Kontur auf dem Griffbrett gibt, mit den Fingern. Er kann es krachen lassen, aber bei manchen Soli auf seiner schwarzen Gibson Les Paul schafft er Stimmungen, die nirgendwo hinführen, und das ist schön, wenn es nicht mal nicht irgendwo hingehen muss in der Rockmusik.

Lake wurden berühmt durch handwerklich überlegen verfugte Songs mit interessanten Melodien und mehrstimmigem Chorgesang. Ihre Sänger kamen meist aus Schottland, ihre Vorbilder nicht aus England. Lake orientierten sich vielmehr an amerikanischen Bands wie den Doobie Brothers oder Steely Dan. Sie schrieben eingängige Stücke für Leute mit Köpfchen.

Ihr gegenwärtiger Sänger Lloyd Anderson, vorsichtiger Zählung zufolge der fünfte in der Bandgeschichte, brauchte in der Fabrik ein paar Songs, ehe er in der Höhe mehr produzierte als heiße Luft und Anstrengung. Seine Gestik ist gewöhnungsbedürftig, sein Tamburinspiel abgewöhnungsbedürftig. Jens Skwirblies spielte auf seinen Keyboards einige räudige Hammond-Soli, und über manchem lange ruhenden Orgelpunkt schaffte er sich, die Mähne wild schüttelnd wie ein Metal-Gitarrist, in melodische Ekstasen, die Nostalgiker schwärmerisch an die Glanzzeit des Mini-Moog-Synthesizers denken ließen. Holger Trull am Bass und vor allem der metronomisch unerschütterliche Mickie Stickdorn am Schlagzeug zogen der Band ein imponierend massives und dabei höchst bewegliches Rückgrat ein.

Ein abgeschlossenes Sammelgebiet wie Lake lockt kaum Nachwuchs ins Konzert. Dennoch hatten sich unter die rund 500 mit der Band gealterten Fans einige wenige U45er gemischt, sogar ein Kind ward gesehen. Was es seinen Freunden wohl erzählen wird?