Lauter nette Petitessen: Simone Young bot mit den Philharmonikern zu Silvester überwiegend Kurzweil und eine charmante Jahresendsause.

Hamburg. Betrachtet man einige Details ihres "Salut!"-Silvesterkonzerts etwas genauer, scheint Generalmusikdirektorin Simone Young nicht allzu abergläubisch zu sein. Die charmante Jahresendsause mit kunterbuntem Programm, mit der Young sich am Sonnabend in der Laeiszhalle von 2011 verabschiedete, war ihre siebente - und das verflixte siebente Hamburger Jahr endete für die Staatsopernchefin mit der Nachricht, sie wolle ihren Vertrag nicht verlängern. Rückenstärkung erhielt die Dirigentin aus dem Parkett, sie wurde schon vor dem ersten Philharmoniker-Ton mit "Bravo, Simone!" begrüßt. Eine Freundlichkeit aus dem Fanblock, die sie dankbar und wortlos registrierte.

In dieser Stimmung fiel dann auch nicht mehr groß ins Gewicht, dass die erste Zugabe, "My Heart Will Go On", aus dem Soundtrack zu "Titanic" stammte, einer Geschichte, die für den einen, der auf seinem dampfenden Schiff die Sache regeln wollte, überhaupt nicht gut endete.

Aber egal, Dienst ist Dienst, und Silvester ist in diesem Spezialformat eine ganze Menge erlaubt. Also war Young fast drei Stunden lang so frei, sich an ihrem Chefinnenpult ohne großes Wenn und Aber amüsieren zu wollen, und das Publikum folgte ihr dabei gern. Auch für diesen Durchgang hatte das Nach- und Umrechnen von 2012er-Jubilaren ein gutes Dutzend Raritäten aus etlichen Stilrichtungen ergeben. Nicht alles davon ist zu Unrecht vergessen: Ohne seinen 150. Geburtstag hätte es das eher depressive "On Hearing The First Cuckoo In Spring" des Briten Frederick Delius kaum auf einen Programmzettel über den Ärmelkanal geschafft; Peggy Glanville-Hicks' B-Impressionismus in ihrer "Gymnopédie Nr. 1" verdankte die Aufführung wohl vor allem der Tatsache, dass die Dame wie Young aus Australien stammt. Glucks "Reigen seliger Geister" wiederum, ein feinsinniges Stückchen Stimmungsmusik aus einer Epoche diskret inszenierten Wandels, kam derart betulich daher, dass es sich selbst schnell entbehrlich machte.

Überraschender Ausgleich für diese kleinen Geduldsproben waren so nette Petitessen wie Flotows Ouvertüre zur Oper "Alessandro Stradella", in der es anfangs lieblich romantisch freischützte. Oder Eislers kurzweiliges "Potpourri über russische Volkslieder", Baujahr 1930, das mit seiner Banjo-und-Saxofon-Verstärkung den zickig jazzigen Witz der Weimarer Republik verströmte. Dank Elmar Lampsons "Mysterienskizzen" war sogar ein Hamburger im Komponistensortiment vertreten.

Fleißsterne verdiente sich der Klarinettist Alexander Bachl mit Debussys ätherisch changierender "Première Rhapsodie"; die Kollegen vom Blech beschallten in der Konzertpause das Foyer mit frühbarockem Stereoraumklang von Gabrieli, der auch im Großen Saal Eindruck gemacht hätte. Das übernahm nach Rihms "Drängendem Walzer" (der so gar nicht nach Rihm klang) das Andante aus Janaceks "Schluck und Jau"-Bühnenmusik. Ein Fragment, dessen Ausgrabung zeigte, wie bereichernd es sein kann, wenn Konzertdramaturgie sich Mühe gibt, nicht nur den Weg geringer Widerstände zu gehen.

Termingerecht böllerten sich Young und das Orchester mit Tschaikowskys "1812"-Ouvertüre in Richtung Jahreswechsel. Und was dem schwachbrüstigen Kanonendonner aus der Tonkonserve an Durchschlagskraft fehlte, holte das Tutti mit Bernsteins "Mambo", schon seit Ingo Metzmacher traditioneller "Salut!"-Rausschmeißer, gekonnt wieder rein.