Die neu gegründete “Stiftung Tanz“ will Tänzern nach ihrer Karriere Hilfen für den späteren Beruf anbieten.

Hamburg. Immer wieder werden Tänzer, wenn sie sich durch den Paragraphendschungel quälen, der ihnen eine leidlich sichere Zukunft verspricht, von hilflosen Mitarbeitern des Arbeitsamtes gefragt: "Warum haben Sie nichts Richtiges gelernt?"

Jetzt aber ist es geschafft, Deutschland hat endlich die Stiftung Tanz, ein Transition-Zentrum für professionelle Tänzer. Transition - was ist das denn, werden sich viele fragen. Es ist die Beratungs-, Kontakt- und Anlaufstelle für Tänzer beim Übergang in einen anderen Beruf, wenn sie ihre Karriere beendet haben und nicht wissen, wie sie ihr zweites Leben neu gestalten.

Nach langen Jahren der Vorbereitung ist am 19. Januar das Transition-Zentrum in Berlin gegründet worden mit Hamburgs Ballettchef John Neumeier als dessen Kuratoriumsvorsitzenden. Gestern informierte er im Ballettzentrum, gemeinsam mit namhaften Kuratoriumsmitgliedern, Tänzern, die jetzt leitende Ballettpositionen innehaben, und Vertretern aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft über die Aufgabe der Stiftung Tanz, die vorläufig noch unter dem Motto steht: "Mit kleinen Schritten zu einem großen Ziel."

Inzwischen sei der Beruf des Tänzers zwar einigermaßen gesellschaftlich anerkannt, aber die hohe Wertschätzung, die andere Künste erführen, werde ihm immer noch nicht entgegengebracht, sagte Sabrina Sadowska, stellvertretende Ballettdirektorin in Stralsund/Greifswald und entschiedene Verfechterin und Mitinitiatorin des Transition Zentrum Deutschland.

Dass Berufstänzer buchstäblich 24 Stunden im Dienst sind, weil sie ihr gesamtes Leben auf den Tanz ausrichten müssen, und dass sie sich deshalb nicht nebenbei weiterbilden oder umschulen können, ist immer noch nicht in die Köpfe vieler eingedrungen.

Eine gezielte berufliche Umorientierung findet erst statt, wenn Tänzer ihre Bühnenlaufbahn beendet haben. Und das ist in der Regel zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr. Sie sind also noch jung. Tänzer gelten als besonders teamfähig, leistungsorientiert, diszipliniert und flexibel. Sie verfügen über ein Potenzial, das der Gesellschaft nicht verloren gehen darf, sondern das man sich zunutze machen sollte. Dabei hilft die Stiftung Tanz.

Wie wichtig eine solche Lotsenfunktion ist, zeigt der Fall Heather Jurgensen, der ehemals weltberühmten Ersten Solistin des Hamburg Ballett . Mit vierzig Jahren hatte sie ihre glanzvolle Karriere beendet, danach blieben ihr Hartz IV und 400-Euro-Jobs beispielsweise als Verkäuferin in einem Delikatessengeschäft, um ihr Kulturmanagement-Studium selbst zu finanzieren. In Riga konnte sie es durch Vermittlung beenden.

Heather Jurgensen hatte Glück. In der kommenden Spielzeit werden sie und ihr Lebensgefährte Yaroslav Ivanenko, er ist Tänzer in John Neumeiers Compagnie, das Ballett der Kieler Bühnen übernehmen. Ivanenko selbst hat "nebenbei" an der Universität Kiew sein Choreografie- und Regie-Studium abgeschlossen.

Selbst wenn einige Tänzer aus Neumeiers Compagnie Fernstudien begonnen oder bereits beendet haben, ist das nicht die Regel. Neumeier: "Das Problem Transition wird früher oder später auf jeden Tänzer zukommen. Doch darüber macht er sich während seiner Karriere zumeist keine Gedanken. Sein Beruf ist Berufung. Tänzer haben den schönsten Beruf der Welt. Wann sie aufhören müssen, weil ihre körperlichen Kräfte nachlassen, diktiert die Natur. Meine Aufgabe ist es nicht, diesen wunderbaren Arbeitern dabei zu helfen, für ihre Zukunft vorzusorgen, sondern das Wichtigste ist, ihnen, so lange sie tanzen, Aufgaben zu geben, die ihrer Individualität entsprechen."

Dass aber eine Stelle existiere, die ihnen nach ihrer Karriere Hilfestellung und Informationen gebe, "fördert nicht nur die Attraktivität und Perspektive des künstlerischen Tanzberufes für den Nachwuchs, sie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Vielfalt und Leistungsfähigkeit des künstlerischen Tanzes in Deutschland", sagte Neumeier.