Zum Saisonabschluss dirigiert Muhai Tang die Symphoniker

Hamburg. Es war ein Saisonfinale mit Aplomb. Nichts Kleinteiliges, auch kein die Publikumsneugier steigernder Gastsolist auf der Bühne. Mit zwei Symphonien, Schuberts Vierter und Mahlers Fünfter, verabschiedeten sich die Hamburger Symphoniker am Sonntagabend in der Laeiszhalle in die Sommerpause. Das nicht allzu zahlreich erschienene Publikum quittierte die vergleichsweise strenge Kost am Ende mit größtem Jubel.

Man könnte die Programmwahl durchaus als Outsider-Auftakt zu den über ein ganzes Jahr verteilten Feierlichkeiten "Mahler in Hamburg" verstehen, die Mitte Juli beginnen und bei denen die Symphoniker nur mit einem Konzert vertreten sind. Auch wir können Mahler, schien der Erste Gastdirigent der Symphoniker, Muhai Tang, sagen zu wollen. Tatsächlich beeindruckten die Musiker bei der Fünften durch große Disziplin und langen Atem.

Vor allem die Bläser gaben Anlass zu Freude: Die Horngruppe agierte souverän, die gegen Ende des Scherzos extrem geforderte Solo-Posaune hatte Kraft und Schmelz, auch Klarinette, Oboe und Fagott waren bestens disponiert. Dazu ließ der Solotrompeter in seinem Spiel auch etwas von der Ambivalenz aus Blues über das Fin de siècle und Aufbruchstimmung in die Moderne anklingen, die zur Entstehungszeit der Sinfonie im gerade angebrochenen 20. Jahrhundert in Europa herrschte.

Muhai Tang bot durch seine faszinierende Vorstellung als Dirigent den Zuhörern auch einiges fürs Auge. Bei flüchtiger Betrachtung wirkt der Kapellmeister mit der Prinz-Eisenherz-Frisur und dem chinesischen Lächeln wie ein sanftmütiger Klanggestalter, der den Stein Orchester mit dem Wasser unendlicher Geduld schleift. Doch wer auch nur eine der seltenen, aus dem Nichts kommenden Tangschen Körpereruptionen mitbekommt, der sieht sich sofort eines Besseren belehrt.

Man ist versucht, in ihm das musikalische Äquivalent eines Doktors der traditionellen chinesischen Medizin zu sehen. Wie bei Akupunktur und Akupressur drückt und sticht Tang entlang der Meridianlinien der Partitur, damit die Energie fließen kann und sich Balance aus Yin und Yang einstellt.

Die Streicher könnten allerdings eine gute Portion mehr Yang vertragen, vor allem die Celli. Das Adagietto, in dem die Harfe ihre verträumt-konturierten Töne in den von Geigen & Co. angelegten Teich der Emotionen tropfen lässt, klang fast wie Entspannungsmusik beim Heilpraktiker.