In der Opera stabile laufen die Sänger bei “Les Indes galantes“ zu begeisternder Form auf

Hamburg. Auf keinem Atlas der Welt war dieses Reich verzeichnet: "Les Indes" entsprangen einzig der Fernweh-Fantasie des französischen Barock. "Les Indes galantes" nannte der kompositorische Spätzünder und bedeutende Musiktheoretiker Jean-Philippe Rameau seine 1735/36 entstandene Ballett-Oper. Sie übertraf seine "Tragédies lyriques" an Beliebtheit bei Weitem, geriet jedoch wie der ganze Mann nach seinem Tod 1764 jahrzehntelang in Vergessenheit. Die Mitglieder des Internationalen Opernstudios haben Rameaus galanten musikalischen Bilderbogen aus einem fiktiven Land unter der Regie von Anja Krietsch jetzt wieder quicklebendig gemacht.

Weil die Europäer nur noch Krieg im Kopf haben, entschließt sich Amor im Gefolge seiner in der Opera stabile von einer bunten Kinderschar niedlichst verkörperten Amorettentruppe, die kostbaren Liebespfeile aus seinem Papp-Köcher lieber auf Hochzeitskandidaten in der Türkei, in Peru oder in Persien zu verschießen. Zu Rameaus wundervoll zickig-schwieriger, affektgeladener und reizvoll instrumentierter Musik (Alexander Soddy leitet ein kleines, engagiert spielendes Ensemble) laufen die Opernstudio-Sänger zu teilweise begeisternder Form auf.

Katerina Tretyakovas Sopran strahlt nobler und sanfter als Vida Mikneviciutes manchmal fast gellend klarer Sopran. Dong-Hwan Lee schenkt den gravitätischen Figuren Osman und Ali durch seinen geschmeidigen Bass innere Beweglichkeit und dank seiner komödiantischen Begabung reichlich Witz. Den beweist auch Ryszard Kalus als Inka-Priester Huascar, der sich aus Verzweiflung über verschmähte Liebe in einen Vulkankrater stürzt - um kurz darauf mit der weichen Sprungunterlage ab durch die Bühnenmitte zu gehen. Auch Ziad Nehme als Carlos sowie Maria Markina und Dovlet Nurgeldiyev singen und spielen ihre Doppelrollen hingebungsvoll.

Die Regie schickt den prächtigst in Grün und Rosa gewandeten und mit abenteuerlichen Beehive-Frisuren angetanen Chor bald auf einen schmalen Balkon über der Szene. Als Opernpublikum aus der Barockzeit nimmt er einander massierend, die Wolle haltend oder vorsichtig an die Wäsche gehend vom Bühnengeschehen eher sekundär Notiz. Nur der Tanz kommt in diesem kurzweiligen und unterhaltsamen Opéra-ballet etwas zu kurz.