Knapp 80 Bands an drei Tagen beim Hurricane-Festival am Eichenring in Scheeßel

Der Begriff "Festival" ist längst ein Synonym für juvenile Exzesse geworden, für freiwilligen Zivilisationsverzicht, für die Reduzierung auf die drei tragenden Säulen des Rocks. Erstens: laut! Zweitens: laut! Drittens: Bier! Dabei kratzen die Pioniere der Festivalgänger, die vor 25 Jahren das erste Mal bei "Rock am Ring" zu - kicher - Joe Cocker, Gianna Nannini, Chris de Burgh (!) und Westernhagen auf dem Nürburgring campierten, schon an der Frührente.

Auch das Hurricane-Festival auf dem Eichenring in Scheeßel, 1997 erstmals mit Rammstein, Bad Religion und Cardigans auf der Motorrad-Rennstrecke am Start, kommt in die Jahre - Erbsenzähler könnten sogar noch die Scheeßeler Rock- und Randalefestivals 1973 und 1977 erwähnen. Und je mehr Jahre ins Land zogen, desto mehr Besucher trampelten durch das Getreide. Mehr Bühnen. Mehr Bands. Mehr sanitäre Anlagen. Mehr laut. Mehr Sponsoren. Festivals sind Kult, kulturell und kommerziell.

Der Megamanie ist in Scheeßel keine Grenze mehr gesetzt. Schon in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts war der Eichenring zu klein für den Andrang der Fans geworden, das Gedrängel zu groß. So wurde eine weitere Wiese für die zweite große Bühne erschlossen und damit für die Agrikultur versch(l)issen. 70 000 Besucher haben jetzt Platz, um sich ewig und drei Tage lang an den Ring binden zu lassen.

Auch programmatisch machen die Veranstalter dieses Jahr ein richtiges Fass auf: Knapp 80 Bands werden ihre Busse auf der Heide abstellen, Grund genug für eine vierte "Electric Circle"-Bühne, die speziell für geprüfte, gesiegelte Festivalaufmischer aufgebaut wird: Frittenbude, Bratze, Kap Bambino, Boys Noize. Chaos im Klang.

Ganz oben auf dem Plakat stehen natürlich andere: Die Retro-Götter The Strokes und spätere Jahrgänge des rückwärts gewandten Pop wie Mando Diao, Vampire Weekend, The XX, Shout Out Louds oder La Roux. Alte, wieder belebte Helden Marke Skunk Anansie, Massive Attack, Faithless und Stone Temple Pilots. Top-Newcomer der letzten Jahre wie Paramore, Florence & The Machine, Good Shoes und Labrassbanda. Und ein Festival wäre kein Fest ohne Deichkind, Revolverheld, Beatsteaks, Dendemann und Madsen von nah und Billy Talent, The Prodigy, Dropkick Murphys und Jack Johnson von fern.

Und erst das Kleingedruckte: Bigelf, Cymbals Eat Guitars, Two Door Cinema Club, Band Of Skulls, Alberta Cross, Turbostaat, Marina & The Diamonds ... auf dem Papier sieht es schwer aus, beim Hurricane-Festival 2010 ein gutes Konzert zu verpassen. Dafür lohnt sich der für 120 Euro erkaufte Zivilisationsverzicht - auch für mit dem Hurricane mitgealterte Fans. Wenn sich Skunk Anansie und die Stone Temple Pilots noch mal aufraffen können, dann können wir das auch.

Hurricane-Festival 2010 Fr 18.6. bis So 20.6., Eichenring, Scheeßel, Karten zu 120,- im Vorverkauf; www.hurricane.de