Nichts leichter, nichts billiger auch, als den Jazzpianisten Herbie Hancock, 70, einen Gutmenschen zu schimpfen. Der Meister aller Keyboards im Allgemeinen und des Flügels im Besonderen umgibt sich auf seinem Album "The Imagine Project" mit einer illustren Schar von Sängern und Instrumentalisten unterschiedlichster Kulturkreise, um eine Botschaft unters Volk zu bringen: Man muss der Globalisierung nur seinen eigenen Stempel aufdrücken, dann kann die Welt profitieren von der Entwicklung, vor der sich viele noch fürchten.

Vor fünf Jahren brachte Hancock mit "Possibilities" eine über die Starbucks-Filialen vertriebene Platte heraus, auf der er mit Pop- und Rockstars von Damien Rice bis Paul Simon, von Christina Aguileira bis Annie Lennox musizierte. Die Produktion klang wie das akustische Äquivalent zu einer säuberlich geharkten und bepflanzten städtischen Grünanlage; das weltmusikalisch geprägte "Imagine Project" dagegen nimmt sich aus wie ein tropischer Dschungel, in dem die Spuren menschlichen Eingreifens so diskret erscheinen wie in einem japanischen Garten.

Das Eröffnungsstück, John Lennons weise-naives "Imagine", nimmt nach ein paar tiefsinnigen Einleitungstakten von Hancock und dem kehligen Gesang von Pink und Seal wundersam Kurs auf Afrika; plötzlich stehen wir in Bamako, hören Oumou Sangare und die Altmetall-Improvisatoren von Konono Nr. 1, aber auch die Melodie auf der E-Gitarre, gespielt von Jeff Beck. Liest sich komisch, die Mischung, klingt aber wunderbar.

Titel wie "The Times They Are A Changin'", "Don't Give Up" oder "A Change Is Gonna Come" verweisen auf den Bewusstseinswandel, den Hancock befördern möchte. Man merkt die Absicht - und ist doch keineswegs verstimmt, denn Hancock geht hier endlich wieder mit all der künstlerischen Unberechenbarkeit zu Werke, die seinen Ruhm begründete. Kaum je klang der Culture Clash inspirierender, leidenschaftlicher, schöner und hypnotischer als auf diesem unerwartet frischen Alterswerk.

Herbie Hancock: The Imagine Project (Warner)