Ganz sanft streift die Nacht dem Tag die Lider herab. Der Himmel beginnt sich zu runden wie in einer Schneekugel, wird hoch, höher, Lufthände, die sich über die Stadt wölben. Die blaue Stunde bricht an.

Sie ist mir von allen Stunden in Hamburg die liebste; wenn sich jenes Licht ergießt, in dem alles schöner aussieht, als es ist. Wenn die banale Wirklichkeit, die manchmal wirklich nicht sehr geglückt ist, auf einmal pathetisch wird, sentimental, voller Bedeutung.

Das Containerterminal verströmt Farben wie aus einem orangefarbenen Fabelland, ein Hafen träumender Schiffe und raunender Maschinen, und es ist ganz leicht, bei diesem Anblick Verzweiflung zu ertragen. Auf den Wellenkämmen der Alster spiegeln sich angeknipste Hochhäuser und Fensteraugen der Villen; als ob die Gebäude Schimmi tanzen, eine Cocktailparty bewegter Steine.

Hinter den Glasfronten der Restaurants werden Räume zu Bühnen, aus Straßen blaue Brücken, aus Fremden Menschen. Alles ist Poesie, bis die Zeit bricht, und das Blau in Grau, das Grau in Schwarz ertrinkt. Die Welt wird aufbewahrt bis zur Morgendämmerung.

Es ist nicht mehr Tag, und noch nicht Nacht. Nicht mehr Wahrheit und noch nicht Traum. Es ist der schmale Grat, auf dem seltsame Gedanken strömen, und wie leicht es ist, jetzt zu lieben und Schwächen zu verzeihen, Dinge zu versprechen die in der grellen Mittagssonne viel zu groß erscheinen; es ist so leicht, sich küssen zu lassen und an Musik zu glauben, auf morgen zu hoffen und darauf, dass das Leben niemals endet.

Es ist die süße Melancholie, in einer großen Stadt ganz allein in seinem eigenen Kopf zu sein.

Morgendämmerung im Regen oder das Schweben im Glück Ein Ein-Frauen-Hörspiel mit Iris Bebensee. Do 17.6., 20.30, Logensaal der Hamburger Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11, Karten 13,-/15,- unter T. 0800/41 33 440; www.kuko-kammerspiele.de