Mit Bildern von Rubens, van Dyck, Jordaens und deren Zeitgenossen zeigt das Bucerius-Kunst-Forum die Pracht Antwerpens im Barock.

Hamburg. Museumsschließungen können auch Vorteile haben: Weil das Königliche Museum für Schöne Künste in Antwerpen aufgrund von Umbaumaßnahmen zurzeit komplett geschlossen ist, bietet sich die einmalige Chance, in Hamburg eine herausragende Sammlung barocker Gemälde zu zeigen, die unter normalen Bedingungen niemals ausleihfähig gewesen wäre. Schon mehrfach hat das Bucerius-Kunst-Forum Überblicksausstellungen gezeigt, zur Gotik, zum Manierismus oder zu einzelnen Epochen der amerikanischen Malerei. Nun bietet "Rubens, van Dyck, Jordaens. Barock aus Antwerpen" einen Einblick in eine der interessantesten Epochen der europäischen Kunst.

Ausstellungskurator Michael Philipp gerät ins Schwärmen, wenn er davon berichtet, aus welcher Fülle von Spitzenwerken er seine Wahl treffen konnte, doch oft setzten bereits die Formate enge Grenzen. Rubens liebte große Leinwände, so entstanden Bilder, die den eher intimen Rahmen der Ausstellungshalle am Rathausmarkt bei Weitem gesprengt hätten. Rubens' berühmte "Kreuzabnahme" wird die Liebfrauenkirche von Antwerpen schon deshalb niemals verlassen, weil sie einfach durch keine Tür passt. "Wir hätten dieses Bild bei uns nicht einmal quer aufhängen können", sagt Philipp, der aber in den turnhallenhohen Sälen des Königlichen Museums dennoch eine vorzügliche Auswahl treffen konnte, schließlich erschöpft sich Größe - auch bei Rubens - nicht aus dem Format.

Zu sehen sind etwa 50 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, darunter so zentrale Werke wie die "Frierende Venus" von Rubens, die "Beweinung Christi" von van Dyck oder die "Anbetung der Hirten" von Jordaens - Bilder, die auch ohne riesige Malfläche monumental sind und die in ihrer Dynamik, emotionalen Aufladung und ihrem Pathos einen Eindruck von dem enormen künstlerischen Aufbruch vermitteln, der sich Anfang des 17. Jahrhunderts in Antwerpen vollzogen hat.

Das Jahr 1585 brachte für die bis dahin reichste Stadt Nordeuropas mit dem Sieg der spanischen Truppen und der Vertreibung der Calvinisten eine schicksalhafte Wende. Für Künstler erwies sich die Gegenreformation, die die Spanier sofort durchsetzten, als willkommene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, denn alle Kirchen, aus denen die protestantischen Bilderstürmer die Altäre brachial entfernt hatten, mussten neu ausgestattet werden.

Das geschah nun anders, als man es bisher gekannt hatte, nicht mehr in spätmanieristischer Weltentrücktheit, sondern voller Sinnlichkeit, Pathos und Lust an der Farbe. In seiner letzten Sitzung hatte das Konzil von Trient im Dezember 1563 ein Dekret erlassen, in dem es um den Gebrauch von Bildern ging. Sie sollten verständlich komponiert und realistisch dargestellt sein, vor allem aber das Gefühl der Menschen ansprechen. Als Peter Paul Rubens 1608 nach Antwerpen zurückkehrte, konnte er seinen in Italien an Tizian und Veronese geschulten Stil daher voll ausspielen: Seine Bilder setzten auf große Gesten, große Gefühle und eine Farbenglut, die keinen Betrachter kaltlassen konnten. Als Rubens kam, war innerhalb des spanisch-niederländischen Achtzigjährigen Krieges eine zwölfjährige Waffenstillstandsphase eingetreten, eine kurze Atempause, in der sich die Kunst prächtig entfalten konnte.

Der Hof war nicht in Antwerpen, sondern in Brüssel, gab aber von dort zahlreiche Aufträge. Und auch die Antwerpener Patrizier, die sich erstaunlich schnell mit dem Verlust der alten Handelsbeziehungen abgefunden und auf die Produktion von Luxusgütern umgestellt hatten, wollten Bilder haben. Sie bestellten Motive aus der griechischen Mythologie und erfreuten sich an deren freizügiger Darstellung, denn die antiken Stoffe boten den Malern Gelegenheit, viel unbekleidetes Fleisch in Szene zu setzen. Vor allem wollten die reichen Bürger ihr gewachsenes Selbstbewusstsein zur Schau stellen, sie gaben Bilder in Auftrag, die früher Herrschern oder Feldherren vorbehalten waren. So malte Anthonis van Dyck um 1619 das ganzfigurige Porträt eines Mannes, der sich im vornehmen, aber dezenten Gewand so breitbeinig und selbstbewusst wie ein Fürst in Positur stellt.

Fast schon anmaßend erscheint ein Kinderporträt von Erasmus Quellinus und Jan Fyt, auf dem ein etwa sechsjähriger Knabe im kostbarsten Damastkleidchen mit einem Falken auf dem Arm und in Gesellschaft zweier Jagdhunde wie ein fürstlicher Jäger dargestellt ist. Beliebt waren aber auch Genreszenen und Stillleben, die freilich nicht nur schöne Dinge zeigten, sondern bedeutungsschwer aufgeladen waren. Ein besonders schönes Beispiel ist das Vogelkonzert von Jan van Kessel. Heimische und exotische Vögel singen nach der Taktvorgabe eines Kauzes im Chor. Ist das ein Lobpreis der Schöpfung, das Plädoyer für die Notwendigkeit eines politischen Regiments oder zeigt das Bild, in dem selbst notorisch unmusikalische Vögel wie Pfauen und Reiher wunderschön zu singen scheinen, wie die Kunst über die Natur triumphiert? Schon Mitte des 17. Jahrhunderts durfte sich jeder Betrachter seinen eigenen Reim darauf machen.

Rubens, van Dyck, Jordaens - Barock aus Antwerpen. Bucerius-Kunst-Forum, Rathausmarkt 2, bis 19. September, täglich 11-19, Do bis 21 Uhr, Katalog 24,80 Euro